Schrittweise Schöpfung?

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Hinter der Evolution stehe nicht der blinde Zufall, sondern göttlicher Wille: Ein britischer Universitätsprofessor wider den Atheismus in der Wissenschaft.

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Hinter der Evolution stehe nicht der blinde Zufall, sondern göttlicher Wille: Ein britischer Universitätsprofessor wider den Atheismus in der Wissenschaft.

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Heute ist insofern ein neues Stadium der Debatte erreicht, als ,Evolution' über ihren naturwissenschaftlichen Gehalt hinaus zu einem Denkmodell erhoben worden ist, das mit dem Anspruch auf Erklärung des Ganzen der Wirklichkeit auftritt. Daß diese Philosophie sich als scheinbar reine Auslegung naturwissenschaftlicher Erkenntnis darbietet, sich mit ihr geradezu identifiziert, gibt ihr eine fast unwidersprechliche Plausibilität, die inmitten der allgemeinen Krise philosophischen Denkens nur umso wirksamer ist." Kardinal Ratzinger, der dies im Vorwort zum Buch "Evolutionismus und Christentum" schreibt, hat recht. Insbesondere gibt es heute den weitverbreiteten öffentlichen Eindruck, daß Darwin den letzten Nagel in den Sarg eines Schöpfers eingehämmert hat.

Richard Dawkins, Autor des Bestsellers "Der Blinde Uhrmacher", sagt, daß Darwin ihm geholfen habe, als Atheist "intellektuell zufrieden zu sein", während Biologe Will Provine meint, daß der Darwinismus "der mächtigste je erfundene Erzeuger des Atheismus" sei. Solche Behauptungen der Ableitbarkeit des Atheismus aus der Biologie finden wir sogar in führenden Universitätslehrtexten, wie in Monroe Strickbergers "Evolution". Er schreibt: "Die Furcht, der Darwinismus sei ein Versuch, Gott im Bereich der Schöpfung zu ersetzen, war gerechtfertigt. Zur Frage ,Hat die Erschaffung der Menschen ein Ziel?' antwortet die Evolution: nein. Die Evolution lehrt, daß die Anpassungen der Spezies und der Menschen durch die natürliche Zuchtwahl und nicht durch Design entstanden sind." Diese Auffassung stellt uns vor eine klare Wahl. Entweder werden wir Atheisten oder wir gehen das Risiko ein, als wissenschaftliche Analphabeten angesehen zu werden.

Dieses Argument begeht aber einen bekannten logischen Fehler. Der Anspruch, daß Atheismus eine logische Folge der Evolutionstheorie sei, ist offenkundig falsch , wobei "Evolution" als biologische Theorie verstanden ist, die behauptet, daß ein gewisser Mechanismus (Mutation und Selektion) für die Entwicklung des Lebens verantwortlich sei. Das Verständnis des Funktionierens eines Mechanismus impliziert genausowenig die Nichtexistenz einer Intelligenz, die den Mechanismus erfunden hat, wie das Verständnis des Funktionierens eines Motors die Existenz von Herrn Diesel leugnet, der den Motor erfunden hat! Die grundlegenden Erklärungen durch Mechanismus und durch Intelligenz sind offensichtlich logisch kompatibel.

Als Einwand wird dagegen gesagt, daß in der Natur des evolutionären Mechanismus selbst keine dahinterstehende Intelligenz nötig wäre. Dawkins schreibt: "Der einzige Uhrmacher in der Natur sind die blinden Kräfte der Physik. Die natürliche Zuchtwahl, der blinde, unbewußte, automatische Vorgang, den Darwin entdeckt und von dem wir heute wissen, daß er die Erklärung für die Existenz und scheinbar zweckmäßige Gestalt alles Lebens ist, zielt auf keinen Zweck. Wenn man behauptet, daß sie die Rolle des Uhrmachers in der Natur spielt, dann die eines blinden Uhrmachers." Die Zweideutigkeit der Sprache hier ist sehr irreführend. Freilich sind Mechanismen in sich blind (ein Dieselmotor ist blind!). Aber die Ingenieure, die den Mechanismus planten, sind keineswegs blind.

"Nicht vorurteilslos" Beschreibungen der evolutionären Mechanismen, wie jene von Dawkins, enthalten so oft eine Mischung von objektiven Daten, theoriegeleiteten Interpretationen und weltanschaulichen Faktoren, daß der Verdacht naheliegt, daß, obwohl der Atheismus als Folge der Wissenschaft dargestellt wird, die eigentliche Lage gerade umgekehrt ist. Der Atheismus geht der Wissenschaft voraus. Dawkins behauptet, daß die blinden Kräfte der Physik der einzige Uhrmacher in der Natur seien, nicht weil er es bewiesen hat, sondern weil er es schon von vorneherein glaubt.

Dieser Verdacht findet nicht nur bei Dawkins Bestätigung. Der weltberühmte Genetiker Richard Lewontin von Harvard ist atemberaubend ehrlich, wenn er sagt: "Wir können es nicht zulassen, daß ein göttlicher Fuß in die Tür gestellt wird." Diese aufschlußreiche Aussage eines prominenten Mitglieds des wissenschaftlichen Establishments ist weit davon entfernt, daß die Wissenschaft unparteiisch ist, und vorurteilslos den Implikationen von Experimenten folgt, wohin sie auch führen mögen. Für Lewontin kommt zuerst der Materialismus, dann folgt die Wissenschaft. Wenn man aber seine Wissenschaft so gestaltet, daß man nie in die Gefahr kommt, eine göttliche Fußspur zu entdecken, dann wird man natürlich auch nie eine entdecken. Daß man sowohl in Schulen als auch in Universitäten die Evolutionstheorie kaum in Frage stellen darf, ist eine letztlich wissenschaftsfeindliche Einstellung, die der Philosoph Robert Spaemann als "Denkverbot der Neuzeit" beschrieben hat.

Nun, bevor man schockiert zu lesen aufhört, muß ich hier sofort klar machen, daß, wenn hier von Evolutionstheorie die Rede ist, nicht mikroevolutive Vorgänge gemeint sind. Solche Vorgänge sind überall zu beobachten, zum Beispiel wie Mutation und Selektion eine Population von Finken verändert oder verschiedene Hundetypen produziert. Dieser Prozeß heißt Mikroevolution und bedeutet Variation bei gleichbleibender genetischer Komplexität. Beispiele sind: Evolution innerhalb vorgegebener Organisationsmerkmale oder quantitative Veränderung bereits vorhandener Organe, Strukturen oder Baupläne. Es geht mir aber um Makroevolution, das heißt um die Entstehung neuer, bisher nicht vorhandener Organe, um die Entstehung qualitativ neuen genetischen Materials. Die Kernfrage ist eine grundsätzliche wissenschaftliche Frage: ist der Mechanismus von Mutation und Selektion fähig, Motor der Makroevolution zu sein?

Im Gegensatz zur populären Meinung spricht in der Expertenmeinung sehr viel dagegen. Biologe R. Wesson berichtet (Beyond Natural Selection, MIT Press 1991): "Große evolutionäre Neuheiten sind nicht gut verstanden. Keine ist beobachtet worden, und wir haben keine Ahnung, ob eine noch im Gange ist. Von keiner gibt es eine gute Bestätigung in den Fossilien ..." Darwin hat diese Abwesenheit der von seiner Theorie erwarteten Übergangsformen als deren größte Schwierigkeit zugegeben. Der weltbekannte Paläontologe Niles Eldredge beschreibt die heutige Lage in den merkwürdigen Worten: "Wir Paläontologen haben gesagt, daß die Geschichte des Lebens die Story von gradueller Veränderung unterstützt, obwohl wir die ganze Zeit wußten, daß dies nicht der Fall sei." Die Fossilien-Befunde weisen auf das plötzliche Erscheinen von neuen Formen ohne Übergangsformen hin, vor allem in der sehr kurzen (geologischen) Zeit der sogenannten Kambrium-Explosion.

"Zufall reicht nicht" Eine Grundfrage der modernen Biologie lautet: Wie ist die immens komplizierte Information entstanden, die zum Beispiel auf DNS-Molekülen kodiert ist? Es ist leicht zu sehen und wird von fast allen Seiten zugegeben, daß der Zufall nicht ausreicht. Huxley meinte, daß, genug Zeit gegeben, tippende Affen auf Grund von Zufall die Werke von Shakespeare schreiben würden. Aber eine einfache Rechnung zeigt, daß, wenn der Affe einen Buchstaben pro Sekunde rein zufällig tippt, dann 10 hoch 1000 Jahre nicht ausreichen, um nur den 23. Psalm auszutippen (Physiker rechnen, daß ungefähr 10 hoch 17 Sekunden seit dem Urknall vergangen sind) Das Problem mit der Entstehung der Komplexität liegt aber nicht nur in der Entstehung einer Sprache oder eines Codes. Darwin schrieb: "Wenn bewiesen werden könnte, daß irgendein komplexes Organ existiert, das unmöglich durch viele aufeinanderfolgende kleine Veränderungen entstanden sein kann, würde meine Theorie vollkommen zusammenbrechen."

Der Biochemiker Michael Behe (Darwin's Black Box, Simon and Schuster, Free press 1997) demonstriert, daß es in der Natur viele molekulare Maschinen gibt, die so eine "irreduzible" Komplexität besitzen. Ein Beispiel dafür ist der unglaublich kleine elektrische Motor (35.000 Motoren pro ein Millimeter Länge), mit Hilfe dessen Bakterien schwimmen können. Außerdem hat der Biologe Siegfried Scherer (TU München) ausgerechnet, daß die Wahrscheinlichkeit der evolutiven Entstehung von so einem Motor, sogar von einem nur ein kleines bißchen primitiveren, in der gesamten Geschichte unseres Planeten nur 1 zu 10 hoch 29 ist, also undenkbar klein (Junker und Scherer, "Evolution - ein kritisches Lehrbuch", Weyel Biologie1998. Dieses Buch ist sehr zu empfehlen, wenn man das Thema weiter verfolgen möchte).

Wenn man einerseits merkt, daß die Modelle, die glauben, eine naturalistische Erklärung der Makroevolution darstellen zu können, einen intelligenten Input brauchen, anderseits weiß, daß selbst Dawkins die Biologie definiert als "das Studium komplizierter Dinge, die so aussehen, als ob sie Produkt des Designs wären", denkt man an ein anderes Modell, dem beides entspricht: das Schöpfungsmodell in der Genesis, wo Intelligenz vorausgesetzt wird. Die Bibel ist freilich kein Lehrbuch der Wissenschaft. Sie spricht eher über das "Warum" als das "Wie". Doch was sie über die Methode der Schöpfung sagt, ist äußerst wichtig. Überraschenderweise behauptet Genesis nicht, daß Gott alles auf einmal schuf. Die Schöpfung findet schrittweise statt.

Es gibt Widerstand gegen die Idee, daß die genetische Information von einer intelligenten Quelle stammt. Dies offenbart, wo das eigentliche Problem liegt: auf der Ebene der Philosophie, die hinter der Wissenschaft steht.

Die Naturwissenschaft operiert mit dem Prinzip der besten möglichen Erklärung. Wenn man an den Materialismus gebunden ist, dann ist die Makroevolution offensichtlich die beste Erklärung. Aber wenn man an den Materialismus nicht gebunden ist, so scheint es mir zumindest, daß das biblische Schöpfungsmodell sowohl unsere wissenschaftlichen Befunde als auch unsere gesamte Erfahrung mit Abstand besser deckt. Es wäre ein hoffnungsvolles Zeichen, wenn diese Thematik heute zumindest offen zur Debatte stehen dürfte, und nicht aus scientistisch-weltanschaulichen Gründen verboten würde.

Der Autor ist Professor für Mathematik an der Universität Oxford und in Cardiff.

Bei diesem Gastbeitrag handelt es sich einen (redaktionell gekürzten) Vortrag, den der Autor im Rahmen der Tagung "Evolution und Schöpfung" vorige Woche in Salzburg gehalten hat.

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