Darwin, dieser "Bio"-Marxist

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Zwei Bücher von und mit Kardinal Schönborn belegen anschaulich die Darwinismus-kritische Position des Wiener Erzbischofs.

Kardinal Christoph Schönborn ist zweifelsohne der "Star" in der Auseinandersetzung zwischen Christen - genauer: zwischen einer prominenten christlichen Denkschule - und Evolutionstheoretikern. Augenfällig wurde des Wiener Erzbischofs Position durch seinen New York Times-Kommentar im Sommer 2005; seitdem gilt er als medial globaler Anwalt der Intelligent-Design-Theorie, die bis dahin vor allem im US-amerikanischen Diskurs reüssiert hatte.

Benedikts XVI. Wohlwollen

Zwei Neuerscheinungen machen Schönborns Position auch diesseits des Atlantiks greifbar: Vor Ostern kam der Band Ziel oder Zufall? Schöpfung und Evolution aus der Sicht eines vernünftigen Glaubens heraus, in dem der Kardinal seine Katechesen, die er 2005/06 monatlich im Stephansdom hielt, publiziert. Dieser Tage, auch als Geburtstagsgabe zum 80er des Paps-tes, ist das Buch zur Tagung Schöpfung und Evolution erschienen, die letzten September vom "Ratzinger-Schülerkreis" in Anwesenheit Be-nedikts XVI. veranstaltet wurde.

Auch da legte Schönborn seine Kritik und Sichtweise der Evolutionstheorie dar; der Papst bezeichnet darin des Kardinals Referat als "krönenden Abschluss" des Symposiums und bemerkt: "Mir kommt es vor, dass es die Vorsehung war, die dich, Eminenz, dazu geführt hat, in der New York Times eine Glosse zu schreiben, dieses Thema wieder öffentlich zu machen und zu zeigen, wo die Fragen sind …" Neben Schönborn sprachen auf der Tagung auch der Philosoph Robert Spaemann, der Naturphilosoph Paul Erbrich SJ sowie der Wiener Theoretische Chemiker und Präsident der Akademie der Wissenschaften, Peter Schuster. Dazu dokumentiert der Tagungsband die Diskussionsbeiträge der Referenten, der Ratzinger-Schüler sowie Benedikts XVI.: Auch in diesem Buch steht ein "ungewohnter" Papst vor dem Leser, der sich in eine wissenschaftliche Diskussion einmischt.

Solcherart steht die Debatte also unter päpstlichem Segen und der Pontifex lässt seine Zustimmung zu Kardinal Schönborns Überlegungen anklingen. Das Interessante an dem Tagungsband ist aber die Zusammenschau unterschiedlicher Disziplinen: Bestechend legt Peter Schuster dar, wie sich der Darwin'sche Evolutionsmechanismus in der Molekularbiologie sowohl experimentell nachweisen als auch über Computersimulationen weiterentwickeln lässt. Der Theoretische Chemiker stellt klar, dass die biologische Evolution von den Naturwissenschaftern als ein Prozess erkannt wird, "der nach Naturgesetzen abläuft und der keiner Intervention von außen bedarf". Ein Naturwissenschafter mache "zur Zeit auch keine einzige Beobachtung, welche zwingend nur durch das Eingreifen eines übernatürlichen Wesens erklärt werden könnte". Was Schuster allerdings staunen lässt, ist, dass die Evolution vom Urknall über die Urformen des Lebens bis zum Menschen nur in einem ganz schmalen "Korridor" von Naturkonstanten und Umweltbedingungen möglich ist: "Das erfolgreiche Zusammenspiel dieser vielen Bedingungen erscheint mir höchst bemerkenswert, und hier, und nicht durch Eingriffe in den Verlauf der biologischen Evolution … wäre Raum für einen Brückenschlag zwischen Theologie und Naturwissenschaft."

Methodische Kunstgriffe

Das Gespräch zwischen Kirchenleuten und Evolutionsbiologen entpuppt sich dennoch als schwierig, wenn man die Positionen des Wiener Erzbischofs als Maßstab nimmt. Sowohl im (wissenschaftlichen) Tagungsband als auch in den (populärwissenschaftlichen) Katechesen lässt Schönborn Eingriffe des Schöpfers in die Evolution anklingen (etwa bei der Frage, wie es zum Übergang vom Tierreich zum Menschen gekommen ist). Schönborn akzeptiert wohl, dass die naturwissenschaftliche Methode ganz ohne göttliche Intervention auskommt. In seinem Buch Ziel oder Zufall? heißt es: "Wir glauben an einen Schöpfer, der nicht eine Ursache neben anderen ist und gelegentlich interveniert, wenn es nicht mehr weitergeht oder man an eine Grenze stößt." Aber der Kardinal meint dann weiter: "Freilich ist Gott seiner Schöpfung gegenüber souverän, und er kann zum Bei-spiel ein Krebsgeschwür in seiner schöpferischen Macht souverän heilen - wir nennen das ein Wunder."

Solche methodischen Kunstgriffe wendet der Kardinal virtuos an: Die Naturwissenschaft und ihre Methode werden bejaht, auch die Evolutionstheorie - bis zu dem Punkt, wo sie den Glauben berühren und ihn in Frage stellen könnten. Da hört das offene Gespräch auf und der Primat der Glaubenssätze wird bemüht: Schönborn entwickelt eine heutige Apologetik, die aber, weil sie auf die Erkenntnisse des Glaubens als unabdingbare Voraussetzung pocht, eine offene Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlicher Erkenntnis verdunkelt. Solche Apologetik ist etwas anderes als der Zugang eines Glaubenden, der sich mit einem offenen Herzen und vor allem Fragen zulassend sich auf ein Gespräch mit der Naturwissenschaft einlässt - ohne zu wissen, was das Ergebnis dieses Gesprächs sein wird.

In Ziel oder Zufall? meditiert Schönborn die Schöpfungsberichte der Bibel und Schöpfungslieder wie Psalm 8 oder Psalm 104. Kein Christ wird die Glaubenskraft dieser Bibeltexte bestreiten. Aber Schönborn verwendet sie auch als naturwissenschaftliche Argumente: "Nach dem biblischen Schöpfungsbericht gilt: Die Vielfalt ist geordnet. Die Frage, was genau eine Art oder Spezies ist, war immer schon sehr schwierig. Was bedeutet, jedes nach seiner Art'? Wenn es auch schwierig ist, in Randbereichen die Grenzen der Arten scharf zu ziehen, so unterscheiden sich doch die beiden Reiche, die Pflanzen und die Tierwelt, deutlich. In der Bibel wird ganz klar unterschieden zwischen den Pflanzen und Bäumen einerseits und dem Gewimmel der Lebewesen im Wasser, der Vögel am Himmel, der Tiere aller Art auf der anderen Seite, bis hin zum Menschen. Dass es Arten gibt, dürfte wohl eine Erfahrungstatsache sein …"

Man reibt sich die Augen: Wird hier das, was in der Übersetzung von Genesis 1 als "Arten" bezeichnet wird, mit dem biologischen, auch von Darwin verwendeten Begriff "Art" gleichgesetzt?! Auch wenn Schönborn beharrlich abstreitet, seine Überlegungen hätten etwas mit dem Kreationismus zu tun. An solchen Punkten offenbart sich - auch wenn ihm das nicht recht ist - die Berührung damit. Auf ähnliche, hier nicht weiter auszuführende Spuren kommt man beim Begriff "Zufall", der in der Definition von Peter Schuster anders klingt als in der Interpretation bei Schönborn. Auch hier drängt sich der Verdacht auf, dass der Positionierung die Begriffsklärung nicht wirklich vorausgegangen ist.

Die Katze ist aus dem Sack

Am aufschlussreichsten wird die Kardinals-Position dann, wenn er die geistesgeschichtliche Einordnung Darwins vornimmt. In beiden Büchern apostrophiert Schönborn den Begründer der Evolutionstheorie als philosophischen Materialisten und denunziert ihn als eine Art naturwissenschaftlichen Marxisten. Damit ist die Katze aus dem Sack: Solch Denkweise deutet einmal mehr auf die neokonservative Argumentationsweise jenseits des Atlantiks hin, in der schon der bloße Anklang an so etwas Leibhaftiges wie den "Marxismus" schaudernden Widerspruch weckt.

Es ginge auch anders, wie etwa der Beitrag des (evangelischen) Theologen und Biologen Günter Altner (siehe links) zeigt, der Darwin anrechnet, dass er die Gottesfrage eben nicht als erledigt ansah. Man darf - ein wenig polemisierend - beklagen, dass für solch Ehrenrettung des "Vaters der Evolution" in der katholisch-konservativen Kritik am "Darwinismus" nur wenig Platz zu sein scheint.

Ziel oder Zufall? Schöpfung und Evolution aus der Sicht eines vernünftigen Glaubens. Von Christoph Schönborn, Hg. Hubert Ph. Weber. Verlag Herder, Freiburg 2007. 189 S., geb., € 20,50

Schöpfung und Evolution

Eine Tagung mit Papst Benedikt XVI.

in Castel Gandolfo. Hg. Stephan O. Horn, Siegfried Wiedenhofer. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2007. 160 Seiten, geb. € 17,40

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