Schönborn, Darwin und die Krise

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Kardinal Christoph Schönborn scheint gewillt, das eben angelaufene Darwin-Jahr zu einer Weiterführung und Vertiefung seiner "Intelligent Design"-Debatte zu nutzen. Dabei versucht er, diese Thematik mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise zu verknüpfen. In einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten meinte der Kardinal dieser Tage: "Die Frage Evolutionismus und Wirtschaftskrise hängen sehr eng zusammen. Das, sagen wir einmal, ideologische darwinistische Konzept, der Stärkere überlebt, hat in der Wirtschaft zu dem geführt, wo wir heute sind."

Nun hat Schönborn ja seit dem Erscheinen seines Aufsehen erregenden Gastkommentars in der New York Times im Juli 2005 mehrere Anläufe unternommen, seine Position zu präzisieren: Zum einen wollte er sich von dem Verdacht befreien, er lehne Darwins Lehre von der Evolution an sich ab; zum anderen aber versuchte er seiner Position durch den Verweis auf sozioökonomische Entwicklungen und Verhältnisse (Stichwort: "Sozialdarwinismus") höhere Plausibilität zu verleihen.

Schutz vor Vulgäradepten

Auch im zitierten Interview betont der Wiener Erzbischof, die "wissenschaftliche Theorie der Evolution" sei "mit ganz starken Argumenten gestützt und getragen". Gleichzeitig stellt er dem "ideologischen Evolutionismus" die (fehlende) Erziehung "in den großen menschlichen Werten …, die die Gemeinschaft braucht" gegenüber.

Gewiss muss man Darwin, wie alle großen Denker und Wissenschafter, vor Vulgäradepten schützen. Aber wenn man das tun will, dann sollte man es in so klaren Worten tun, wie etwa Frank Schirrmacher, der kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen schrieb: "Der Darwin, der gegen seine Anwender verteidigt werden kann, ist nicht der Theoretiker des Lebenskampfes, des Rassismus und der Naturbeherrschung. Im Gegenteil: Es ist ein Denker, der mit fast beispielloser Behutsamkeit sich der Natur und ihren Geschöpfen zuwendet …" Und zum Schluss heißt es dort gar, die Botschaft Darwins für heute sei "die der Sympathie mit der Schöpfung".

Ausweichen auf die Ökonomie

Das müsste auch einem Bischof gefallen. Bei Schönborn hingegen beschleicht einen immer wieder die Vermutung, ganz geheuer sei ihm dieser Darwin ja doch nicht. Wie so oft aber, wenn sich die Kirche ihrer Sache nicht ganz sicher ist, weicht sie auch hier auf das Feld der Ökonomie aus, wo sie sich im mainstream und des Beifalls der veröffentlichten Meinung sicher wähnt. Das führt dann zum Kurzschluss zwischen (ideologischem) Darwinismus und Finanzkrise, was ungefähr so simpel gestrickt ist wie der Vorwurf, das biblische "Macht euch die Erde untertan" habe in die Ökokatastrophe geführt.

Richtiger wäre zu sagen, dass die Domestizierung von Egoismus, Aggression, Gier und anderen "dunklen", urwüchsigen Seiten der menschlichen Natur immer schon eine gewaltige zivilisatorische Aufgabe war und bleiben wird - in historischer Perspektive wie für jeden Einzelnen. Wohl gemerkt: die Domestizierung, nicht die Repression, denn, so wäre zu ergänzen, diese Triebkräfte sind - im rechten Maß - auch ganz wesentliche Antriebskräfte des Lebens.

Die Erziehung "in den großen menschlichen Werten", die Schönborn zurecht einmahnt, hat sich nie von selbst verstanden. Daran ist nicht der Kapitalismus (oder sonst wer) schuld, sondern weil das so ist, ist jedes System, auch der Kapitalismus, krisenanfällig.

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