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Munition für den rechten Vormarsch

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Zwei Bücher, beide von Professoren geschrieben, völlig verschieden im Stil und in ihrer Struktur, doch fast identisch in ihrer Zielrichtung, erschienen vor kurzem fast gleichzeitig. Karl Steinbuch, dessen „Kurskorrektur" (1973) ihn als Konvertiten von der Linken zur Rechten so bekannt gemacht hatte, bescherte uns mit einem Buch, das vielleicht sein bestes und wichtigstes ist.

„Die rechte Zukunft" ist würzig und epigrammatisch geschrieben und kann als donnerndes Verdammungsurteil über Gegenwart aufgefaßt werden. Seine Botschaft ist jedoch sehr konstruktiv,

weil hier immer nach der Verneinung die Alternativen angeführt werden.

Dennoch ist dies ein revolutionäres Buch, denn dem „aufgeklärten" Spießer, dessen politischer Horizont nicht über die ideologischen Weisungen des Alliierten Kontrollrats aus dem Jahre 1945 hinausreicht, werden alle Illusionen, eine nach der anderen, geraubt. Kein Tabu wird respektiert:

Die Universitätsreform, das Wettern gegen die Autorität, die berühmte Entwicklungshilfe, sowohl die Maschinenanbeterei als auch ihr Gegenteil, der noch hysterischere Antitechnizismus, die Geburtenkrise Europas als auch die Bevölkerungsexplosion der Unterentwickelten, sie alle werden an den Pranger gestellt.

Die Entwicklungshilfe wird auch schon deswegen verurteilt, weil sie „Ressourcen von produktiven in unproduktive Länder lenkt"; zudem wird F. A. v. Hayek zitiert: „Gegen die Uberbevölkerung gibt es nur eine Bremse, nämlich, daß sich nur die Völker erhalten und vermehren, die sich auch selbst ernähren können."

Den deutschen Gewerkschaften aber gibt Steinbuch den Rat, vor allem dafür zu sorgen, daß der Industrie erstklassige Facharbeiter zugeführt werden, denn Europa soll die „Werkstatt der Welt" sein. Er sagt auch klipp und klar: „Wer theorieunbegabte Schüler an unbezahlbare Hochschulen verführt, um sie für Berufe auszubilden, in denen sie nicht gebraucht werden, der erzeugt strukturelle Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und persönliches Unglück."

Doch vergessen wir nicht: unser Autor ist Informationsspezialist und als solcher überzeugt, daß die Unmenge von Informationen nicht mehr von den Massen oder auch von ihren politischen Repräsentanten registriert, beurteilt und verarbeitet werden kann.

Die „Unregierbarkeit" der modernen Demokratien käme eben von der nicht mehr existierenden Transparenz des Weltgeschehens. Politik, Wirtschaft und Technik sind unübersichtlich und undurchsichtig geworden. Das heißt aber auch mit anderen Worten, daß der heutige Mensch (der von furchtbaren Zweifeln und Ängsten geplagt wird) mit seiner Rationalität nicht mehr weiterkommt und wieder anfangen muß zu glauben.

Auch muß er von der Vergangenheit lernen und sich nicht in „futurologischen Spekulationen" verlieren. „Unser Zusammenleben ist zwingend auf Verantwortung und Vertrauen angewiesen." Noch läßt sich ein Ethos aus dem Nichts zusammenzimmern.

Ist also Steinbuch ein Konservativer oder eher ein „Rechter"? Er sagt uns sehr deutlich: „Viele Konservative haben ja resigniert. Es gibt keine konservative Theorie, deshalb müssen sich Konservative mit Intuition durchmogeln." Und später: „Das Fehlen einer konservativen Theorie ist ein wesentlicher Grund dafür,, daß sich ständig theoretisch hochgerüstete Ideologien durchsetzen und unendlich viel Unheil anrichten."

Professor Fritz Schachermeyrs „Die Tragik der Voll-Endung" ist ein spannend geschriebenes Werk mit fast derselben Zielrichtung wie der Band Karl Steinbuchs. Hier allerdings spricht ein Historiker des alten Hellas, dem die großen Philosophen der Antike ans Herz gewachsen sind, über den Aufgang und Niedergang der Kulturen mit besonderem Bezug auf unsere Lage.

Mehr von Toynbee als von Spengler inspiriert, hebt er jedoch zwei Probleme hervor: das der Enge und Breite der ideologischen Strukturen als auch die Notwendigkeit von Zentralwerten in der Erhaltung von Kulturen. Schachermeyr ist uberzeugt, daß politische Gemeinschaften ohne geistig-seelische Schwerpunkte nicht leben, nicht überleben können.

Völker haben die Möglichkeit konformistisch, pluralistisch oder „superpluralistisch" zu sein. Während nun konformistische Strukturen zu Sterilität und Sklerose neigen, besteht für die „superpluralistischen" Nationen die Gefahr, daß sie innerlich zerfallen und „Gemeinschaften" in unzusammenhängende „Gesellschaften" entarten. Weltanschauliche Zwangsjacken sind ebenso gefährlich wie weltanschauliche Regenschirme.

Da steht der dräuende Satz schwarz auf weiß: „Bei gleichem Stand der Technik wird der extreme Pluralismus gegenüber einem konformistischen Gegner immer den kürzeren ziehen. „Man denke da an das noch-freie Europa und die Sowjetunion, die offiziell ein Kredo besitzt, während sich bei uns die abstrusesten Ideen gegenseitig auch mit terroristischen Mitteln bekriegen. Unser Weg aus dieser Sackgasse: neu-alte Lösungen mit viel Phantasie!

Diese Thesen werden hier nicht im luftleeren Raum, sondern mit großer Anschaulichkeit im Rahmen der Jahrtausende präsentiert. Da findet der Pedant zwar das eine oder andere Haar in der Suppe, aber das sollte den Genuß des Gerichts nicht stören.

Wer der Wahrheit ins Auge blicken und ehrlich sein will, kann diesen manchmal grimmigen Seiten kaum widersprechen, doch enden sie nicht in Pessimismus und Resignation, denn nach der „Voll-Endung" einer Kultur kommt, wie die Geschichte uns lehrt, fast immer über diese oder jene „Brücke" echte Erneuerung.

Die Analogien zwischen diesen beiden Büchern sind auffällig. Der Historiker stimmt mit dem Informationsspezialisten auch darin überein, daß unsere Staatsformen und die Selbstaufgabe Europas durch Populismen (wozu auch der Nationalismus gehört) zu unserem Untergang führen, huldigen wir doch dem „Kopfzahlfetischismus" gekoppelt mit dem Kult der Quantität.

Auch Schachermeyr, der oft sehr persönlich wird, erteilt dem Fortschrittsfimmel, dem Neuerungswahn und der Feigheit der Konservativen eine ernste Rüge. Er weiß sehr wohl von der steigenden Kritik des „Progressis-mus" im romantischen wenn auch humorlosen Lager der Neuen Linken, versteht die Ursachen der katholischen Kirchenkrise und verlacht den Feminismus — überzeugt, daß in führenden Schichten die Frauen stets eine dominierende und auch sehr konstruktive Rolle spielten.

Beide Bücher sollten zusammen gelesen werden: sie geben reichliche Munition alljenen, die die „Aufgeklärten" endlich einmal wirklich aufklären und die tapferen, gegen den Strom Schwimmenden richtig ermutigen wollen.

DIE RECHTE ZUKUNFT. Gegen Fortschrittswahn und Pessimismus. Von Karl Steinbuch. Herbig Verlag, München 1981.255 Seiten, geb., öS 226,50.

DIE TRAGIK DER VOLLENDUNG. Von Fritz Schachermeyr. Verlag Koska. Wien 1981. 555 Seiten, Ln., öS 495,-.

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