Achtung vor den Kreationisten

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Auch hierzulande ist ein, kreationistischer' Biologielehrer zu finden. Den medizinischen Fortschritt gefährdet dieser nicht.

Im Sommer 2007 erschien ein EU-Bericht mit dem Titel: "Die Gefahren des Kreationismus für die Erziehung". Darin wird - auf übertrieben dramatische Weise - von den Folgen dieser Pseudolehre gewarnt: "Die Evolution abzulehnen, kann ernsthafte Konsequenzen für die Entwicklung unserer Gesellschaften haben. Fortschritte in der Medizin, mit dem Ziel ansteckende Krankheiten wie Aids zu bekämpfen, werden unmöglich, wenn die Prinzipien der Evolution geleugnet werden."

Moderate Religionen?

Gleichzeitig betont das Dokument, dass diese Art von religiösem Extremismus ihren Ursprung in rechtskonservativen politischen Bewegungen hat und dass die führenden Oberhäupter aller monotheistischen Religionen - so auch die katholische Kirche - eine viel moderatere Haltung einnehmen. Soll heißen: Sie akzeptieren die Evolutionstheorie.

Dieser maßvollen Einschätzung widerspricht Ulrich Kutschera, Evolutionsbiologe von der Universität Kasssel in einem unlängst erschienenen Fachartikel (Evo Edu Outreach 1/2008); er stellt fest: "Teilweise dürfte die religiöse Indoktrination von Kindern dafür verantwortlich sein, dass das Konzept der Evolution abgelehnt wird." Denn so Kutschera: Nicht nur einzelne, sondern weite Teile der deutschen Bevölkerung akzeptieren die Evolutionsbiologie nicht. Konkret hat er eine von der Giordano-Bruno-Stiftung finanzierte Umfrage unter 1.520 Deutschen ausgewertet. Demnach glauben bloß sechs von zehn der Befragten an die Evolutionstheorie, die restlichen vier sind Anhänger des Kreationismus, respektive von Intelligent Design. Für Österreich existiert keine vergleichbare Untersuchung. Jedoch unterrichtet in Vorarlberg Elmar Walch, promovierter Biologe, an einer Mittelschule so etwas wie Kreationismus. Im Interview mit der Furche formuliert er es so: "Ich unterrichte selbstverständlich nach dem Lehrplan. Aber ich reflektiere das." Als ein Beispiel nennt er das Miller-Experiment, das angeblich die Ursprünge des Lebens nachzeichnet: die Entstehung von Aminosäuren aus einfachsten chemischen Bausteinen.

Dazu Walch: "In den Schulbüchern wird stets verschwiegen, dass in dieser Ursuppe zwei Formen von Aminosäuren entstehen, die einander so stark ähneln wie die linke und die rechte Hand; in lebenden Organismen jedoch kommt nur eine Variante vor. Auf solche Widersprüche mache ich meine Schüler aufmerksam."

Was der Biologie-Lehrer nicht weiß: Innsbrucker Forschern ist es vor wenigen Jahren gelungen, in einem neueren Ursuppen-Versuch nur diese eine Variante zu produzieren. Aber würde ihn das überzeugen? Vielleicht. Doch von den ersten Molekülen bis zum ersten Organismus ist es ein sehr langer Weg - und die Lücken, auf die sich ein Skeptiker wie Walch berufen kann, sind äußerst zahlreich. Und bloß plausibel argumentierte Szenarien kann man natürlich zurückweisen (aber müsste der Kritiker nicht auch bessere - und testbare - alternative Hypothesen vorbringen?).

Darwinist = Atheist?

Zurück zur Umfrage: Die hat nur einen Haken. Sie bietet lediglich drei Antwortmöglichkeiten. Als einzig richtige Lösung gilt die, wissenschaftliche' Aussage, wonach sich das Leben ohne den Einfluss eines Gottes durch natürliche Prozesse entwickelt hat. Christliche Weltvorstellung und Darwins Lehre schließen sich damit implizit aus. Doch das muss nicht sein (vgl. dazu etwa Günter Altner in Furche 16/07). Sogar im EU-Bericht wird extra hervorgehoben: "Kreationistische Ideen können in einem erzieherischen Kontext gelehrt werden, nicht aber als Wissenschaft."

Fraglich ist natürlich, ob Elmar Walchs "kritischer Biologieunterricht" der beste Weg ist, um Religion und Wissenschaft zu vereinbaren - Gott ist kein Lückenbüsser. Jedoch meint Walch auch: "Ein Gläubiger zwingt einem andern Gläubigen nicht seinen Glauben auf." Das macht ihn immerhin sympathischer, wie jene, die die Verknüpfung von Darwinismus und Atheismus als wissenschaftliche und einzige Wahrheit verkaufen. Die erkennen nicht, wie fundamentalistisch ihre, Religion' ist.

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