Gott Zufall und Gott Designer

Werbung
Werbung
Werbung

Zum Gespräch Auch auf der Ökumenischen Sommerakademie, die vom 13. bis 15. Juli im Stift Kremsmünster zum Thema "Mit Gott rechnen - die Grenzen zwischen Naturwissenschaft und Theologie" stattfand, wurde die von Kardinal Schönborn letzte Woche angefachte Evolutionskontroverse (vgl. Furche 28) diskutiert. Die Furche sprach in Kremsmünster mit zwei Doyens ihrer Wissenschaft über Evolutionstheorie und Glauben: Wolfhart Pannenberg, geb. 1928, Schüler Karl Barths und em. Professor für Systematische Theologie in München, ist einer der bekanntesten evangelischen Theologen im deutschen Sprachraum. Seit Jahrzehnten beteiligt sich Pannenberg auch am Gespräch zwischen Naturwissenschaft und Theologie. Walter Thirring, geb. 1927, Schüler von Wolfgang Pauli, Werner Heisenberg, Albert Einstein und em. Professor für Theoretische Physik in Wien, ist einer der Begründer der Mathematischen Physik.

Regiert in der Evolution der pure Zufall oder unterliegt sie einem göttlichen Plan ("intelligent design"), wie auch Kardinal Schönborn meint? Gespräche zum Thema mit dem Theologen Wolfhart Pannenberg und dem Physiker Walter Thirring.

Die Furche: Sie bezeichnen das Aufkommen der Evolutionstheorie vor 150 Jahren als eine der tiefsten Entfremdungen zwischen Religion und Naturwissenschaft.

Wolfhart Pannenberg: Darwins Evolutionstheorie hat damals so gewirkt, weil man sie als äußersten Triumph des mechanistischen Weltbildes verstanden hat. Sogar für die Entstehung und Entwicklung des Lebens ist da nicht mehr der Gedanke eines intelligenten Schöpfers erforderlich, sondern nur die zufälligen Varianten der Lebensformen und die Selektion durch die Umwelteinflüsse: Das schien eine rein mechanische Erklärung für die Entstehung der Lebensformen bis hin zum Menschen zu sein.

Die Furche: Und darauf hat die Kirche zum Teil polemisch reagiert...

Pannenberg: ...und auch die allgemeine Kultur. Aber es hat schon früh anglikanische Theologen in England gegeben - schon 1887 ist ein diesbezüglicher Sammelband erschienen -, die versucht haben, die Evolutionslehre gerade als eine Verabschiedung des mechanistischen Weltbildes zu deuten, als Durchbruch zu einer neuen Auffassung der Natur als einer Geschichte, in der immer wieder neue Lebensformen entstehen. Man hat versucht, diese Sicht mit dem christlichen Gedanken der Heilsgeschichte zu verbinden, wobei die Inkarnation dann der Gipfelpunkt der Evolution des Lebens ist.

Die Furche: Wollte darauf dann in der Mitte des 20. Jahrhunderts auch der katholische Theologe Pierre Teilhard de Chardin hinaus?

Pannenberg: Ja, Teilhard ist von diesen Versuchen mit abhängig, und eine Reihe englischer Theologen hat die Gedanken einer Evolutionstheologie aufgenommen.

Die Furche: Sie beschreiben, wie sich die Theologie in Richtung der Evolutionstheorie bewegt hat. Hat es aber auch Veränderungen der Evolutionstheorie in Richtung Theologie gegeben?

Pannenberg: Ja, es hat Veränderungen gegeben, die den Anschein einer mechanistischen Erklärung der Entwicklung des Lebens beseitigt oder jedenfalls sehr differenziert haben, etwa die Einführung des Begriffs emergent evolution um 1920, der meint, dass im Prozess der Evolution ständig etwas Neues auftritt, dass jede neue Lebensform etwas unableitbar Neues ist; dasselbe ist später als organic evolution bezeichnet worden: Damit ist jedenfalls klar, dass die Evolutionstheorie keine mechanistische Interpretation des Naturgeschehens lehrt.

Die Furche: Trotzdem gibt es bis heute Widerstände vor allem in christlich-konservativen Kreisen gegen die Evolutionstheorie - etwa in den usa die konservativen Christen, die als Kreationisten bezeichnet werden -, und die meinen, die Schöpfungsgeschichte sei mit der Evolutionstheorie unvereinbar.

Pannenberg: Das ist aber nicht richtig, wenn man das erste Kapitel der Bibel, die Schöpfungsgeschichte, liest: Darin liest man auch, dass Gott die Erde auffordert, organisches Leben hervorzubringen. Das entspricht der ersten Entstehung des Organischen aus Anorganischem, Gott fordert an einer Stelle dann die Erde noch einmal auf, doch die höheren Tiere hervorzubringen - das geht weit über das hinaus, was Darwin gesagt hat, denn Darwin hat natürlich nicht die Entstehung höherer Tiere aus der anorganischen Materie behauptet, sondern nur nur ihre Entwicklung aus der Entwicklung des Lebens. Der Entwicklungsgedanke ist der Bibel noch unbekannt gewesen, aber die Theorie Darwins ist jedenfalls viel zahmer als der Gedanke, dass aus unorganischer Materie direkt das höhere Leben hervorgebracht werden sollte.

Die Furche: Darwins Theorie hat man auch vorgeworfen, ein Wegbereiter der ns-Rassenlehre gewesen zu sein.

Pannenberg: Das ist eine Missinterpretation, es haben sich natürlich viele Leute auf die Evolutionslehre berufen, auf survival of the fittest, das Überleben des am besten Angepassten, aber das hat mit den Intentionen der Theorie Darwins nichts zu tun. Es hat viele verschiedene Formen der Evolutionstheorie gegeben, und Leute wie Ernst Haeckel in Deutschland haben in der Tat eine antireligiöse und gegen das Christentum gerichtete Deutung der Evolutionstheorie verfochten.

Die Furche: Zur Zeit wird auch das Konzept eines "intelligent design" diskutiert, das einen göttlichen Plan hinter der Evolution postuliert. Auch der Wiener Kardinal Schönborn hat sich dieser Tage als Verfechter dieses Konzepts hervorgetan. Was halten Sie davon?

Pannenberg: Ich bin da sehr skeptisch. Man muss sich vorsehen, Gott, den Schöpfer, nicht zu anthropomorph zu verstehen, nicht zu sehr nach dem Bilde des Menschen, der sich Ziele setzt und sein Verhalten plant. Mit der Ewigkeit Gottes sind solche Vorstellungen nicht vereinbar. Das bedeutet nicht, dass der Zweckgedanke aus einer christlichen Schöpfungsbetrachtung völlig ausgeschlossen sein muss, etwa in dem Sinn, dass Gott die Schöpfung, dass er das Frühere zusammen mit dem Späteren, das darauf folgt, als Ganzes gewollt hat. Das schließt ein, dass eine Zielgerichtetheit in der Abfolge geschöpflicher Prozesse liegen kann. Aber man darf das nicht damit verwechseln, dass Gott anthropomorph als jemand gedacht wird, der am Anfang der Schöpfung steht und auf eine von ihm verschiedene Zukunft vorausblickt und da Ziele auswählt und dann Mittel, um diese Ziele zu erreichen.

Die Furche: Sie haben eine Diskussionsbemerkung "Zufällige Evolution versus intelligenter Plan" vorgelegt, in der Sie sowohl den Satz der "reinen" Evolutionisten "Das Resultat der Evolution wird alleine durch Zufall bestimmt" als auch die Aussage "Die Evolution strebt gemäß einem intelligenten Plan einem Endziel zu" als "inhaltsleer" bezeichnen.

Walter Thirring: Wenn man sagt: Das Produkt der Evolution ist rein zufällig, dann stimmt das, und es gibt keinen Beweis für einen göttlichen oder intelligenten Plan. Hier stimmt zwar die Aussage, sie ist aber irgendwie verfehlt, denn das mit dem göttlichen Plan ist ja eine Sichtweise (und keine wissenschaftliche Theorie) und als solche nicht beweisbar und auch nicht widerlegbar.

Die Furche: Wenn beide Sätze also inhaltsleer sind, wie lautet dann der "inhaltsvolle" Satz?

Thirring: Der inhaltsvolle Satz ist der, dass in den verschiedenen Schritten der Evolution keine Abkehr von den durch Zufall bedingten Wahrscheinlichkeiten zu erkennen ist. Wenn das wäre, könnte man sagen, das wäre ein Beweis für das Eingreifen Gottes, aber das hat offenbar niemand gesehen, sonst hätte er gleich geschrien. Andererseits ist es auch zu dürftig, nur zu sagen, das strebt einem Endziel zu: Denn man kann ja immer sagen, das, was jetzt erreicht wurde, ist das Endziel, und dem ist es zugestrebt. Das ist also auch inhaltsleer. Das Endziel ist offenbar, dass so etwas wie der Mensch entstehen kann.

Die Furche: Professor Pannenberg beschreibt das Aufkommen der Evolutionstheorie vor 150 Jahren als eine der tiefsten Entfremdungen zwischen Religion und Naturwissenschaft. Ist die jüngste Evolutionskontroverse noch ein Nachwirken dieser Entfremdung oder ist diese doch überwunden?

Thirring: Ich persönlich sehe sie für überwunden an. Es war nur eine gewisse Engstirnigkeit von der Kirche, dass sie zunächst Darwin abgelehnt hat. Diese Feindschaft zwischen Naturwissenschaft und Theologie kommt nicht so sehr von den beiden Wissenschaften her, sondern daher, dass manche ihrer Vertreter glauben, sie verstehen mehr, als sie wirklich verstehen.

Die Furche: Sie sagen auch, dass einer der Grundsätze der Evolutionstheorie, nämlich "survival of the fittest", dass der am meisten Angepasste überlebt, eigentlich eine Tautologie, also ein Satz ist, der immer stimmt und daher ebenfalls inhaltsleer bleibt.

Thirring: Man muss ja definieren, was fittest heißt. Wenn ich unter fit die Eigenschaft zu überleben verstehe, dann ist der Satz eine Tautologie.

Die Furche: Wo sehen Sie Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Religion?

Thirring: Die Entwicklung des Kosmos, wie wir sie sehen, strebt in eine gewisse Richtung. Die Wissenschaft sagt uns, was die Richtung ist, und wir müssen unser Verhalten so einstellen, dass wir sagen, wir müssen in diese Richtung gehen und nicht dagegen. Das ist der Berührungspunkt zur Religion: Denn die sagt ja auch, in welcher Richtung wir gehen müssen. "Du sollst nicht töten" hat ja insofern ein wissenschaftliches Pendant, als die Evolution dem Leben zustrebt - wir sollen dieses nicht nicht zerstören. Da sind die Forderungen von Wissenschaft und Religion sozusagen parallel. Die Wissenschaft wirft jetzt vieles auf, wovon in der Religion nie die Rede war, etwa im eschatologischen "anthropischen Prinzip"...

Die Furche: ...welches besagt...

Thirring: ...dass die Naturgesetze so geschaffen wurden, dass das Leben auf der Erde und damit der Mensch entstehen - und daraus folgend so ein Brand entfacht wird, dass die Menschen dann auch die anderen Gestirne besiedeln. Das ist natürlich eine kühne Vision, und wir sind weit davon entfernt, dahin zu kommen - in ein, zwei Milliarden Jahren wird das akut...

Die Furche: ...und das ist eine wissenschaftliche Vision, keine religiöse?

Thirring: Man kann überprüfen, ob das mit unserem derzeitigen Kenntnisstand der Naturgesetze verträglich wäre. Natürlich sind das nur grobe Abschätzungen, aber man meint, innerhalb einer Milliarde Jahre könnten wir unsere Milchstraße besiedeln.

Die Furche: Ist das eine "Spur Gottes" in den Naturgesetzen?

Thirring: Das wäre natürlich eine Erweiterung des Alten Testaments: Der Mensch soll nicht nur die Erde bevölkern und untertan machen, sondern den ganzen Kosmos. Ich möchte aber nicht wirklich den Finger darauf legen, was die Spur Gottes wäre.

Die Furche: Manche entgegnen, solche Betrachtungen seien viel zu anthropozentrisch, in der Natur wäre von Anthropozentrismus aber keine Spur.

Thirring: Das sehe ich nicht so. Es wird immer argumentiert, der Mensch ist winzig klein im Vergleich zum Kosmos, was natürlich stimmt. Aber der Mensch hat andere Qualitäten, die wir im Kosmos sonst nie gesehen haben, nämlich die Intelligenz und den Geist. Ob es das noch woanders gibt, wissen wir nicht. Bisher haben wir keine Anzeichen dafür. Insofern ist der Mensch schon etwas Besonderes.

Die Gespräche führte Otto Friedrich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung