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Kardinal Schönborns Kommentar in der "New York Times" provozierte Reaktionen. Ein Zwischenbericht (vgl. auch Leitartikel, Seite1, "Klipp & Klar", Seite 5).

Selten hat ein Wort Christoph Schönborns solche Kontroversen ausgelöst wie der letztwöchige Gastkommentar des Wiener Kardinals in der New York Times, in dem er eine von ihm konstatierte Vereinnahmung Johannes Pauls II. durch "Neodarwinisten" scharf kritisiert: "Seit Papst Johannes Paul II. 1996 erklärt hat, dass die Evolution (ein Begriff, den er nicht definierte) mehr' sei als nur eine Hypothese', haben die Verteidiger des neodarwinistischen Dogmas eine angebliche Akzeptanz oder Zustimmung der römisch-katholischen Kirche ins Treffen geführt, wenn sie ihre Theorie als mit dem christlichen Glauben in gewisser Weise vereinbar darstellen. Aber das stimmt nicht."

Evidenz eines Plans?

Schönborn argumentiert, die "Evolution im Sinn einer gemeinsamen Abstammung (aller Lebenwesen)" könne "wahr sein", Evolution im "neodarwinistischen Sinn - ein zielloser, ungeplanter Vorgang zufälliger Veränderung und Selektion" sei es aber nicht. Jedes Denksystem, das "die überwältigende Evidenz für einen Plan in der Biologie (design in biology')" leugne oder wegzuerklären versuche, sei "Ideologie, nicht Wissenschaft". Der Kardinal nennt oben zitierte Botschaft Johannes Pauls II. von 1996 eine "eher unbestimmte und weniger bedeutende" und führt andere Papstworte sowie das Dokument der päpstlichen Internationalen Theologenkommission von 2004 (deren Vorsitzender damals Kardinal Ratzinger war), das von den Neodarwinisten als Zustimmung zur Evolutionstheorie interpretiert worden sei, in einem entgegengesetzten Sinn an: In diesem Dokument werde auch gegen die Missinterpretation der Papstaussage von 1996 Stellung bezogen, die "nicht als umfassende Bestätigung aller Evolutionstheorien - einschließlich jener neodarwinistischer Provenienz, die ausdrücklich jede Rolle der göttlichen Vorsehung bei der Entwicklung des Lebens im Universum leugnen" - aufgefasst werden könne. Schönborn unterstreicht nachdrücklich, dass der Natur ein (göttlicher) Plan zugrunde liegt ("Finding Design in Nature", so der englische Titel des Kommentars), er zitiert dazu auch Papst Benedikts XVI. Ausruf bei dessen Amtseinführung im April: "Wir sind nicht das zufällige und sinnlose Produkt der Evolution. Jeder von uns ist Frucht eines Gedankens Gottes ..."

Am Wochenende legte die New York Times offen, dass der Kardinals-Kommentar über eine pr-Agentur ins Blatt gekommen war, die den konservativen Think Tank "Discovery Institute" in Seattle repräsentierte. Der Vizepräsident dieses Instituts, Mark Ryland, gehört auch dem Vorstand des Internationalen Theologischen Instituts im niederösterreichischen Gaming an, dessen Großkanzler Schönborn ist. Das "Discovery Institute" war vor einigen Jahren als Lobbyist auch daran beteiligt, dass im Bundesstaat Kansas die Evolutionstheorie von den Lehrplänen gestrichen wurde. Die New York Times analysierte weiter, die katholische Kirche positioniere sich mit Schönborns Wortmeldung nun - gemeinsam mit konservativen Evangelikalen - auf der Seite jener, die immer stärker ihren Widerstand gegen die Evolutionslehre als einzige Theorie auf den Biologielehrplänen formierten. Dem entgegen konstatierte die Zeitung "Verwirrung, Bestürzung und sogar Zorn" auf Seiten von Naturwissenschaftern, auch katholischen.

In Österreich kam die Auseinandersetzung zu Wochenbeginn in Gang: Der Grazer Soziologe Christian Fleck kritisierte im Standard, dass sich Schönborn zum Sprachrohr "religiöser Eiferer", der "so genannten Kreationisten" gemacht habe, indem er etwa deren Terminologie, Evolutionsbiologen abfällig als "Darwinisten oder Neodarwinisten" zu bezeichnen, übernommen habe. Fleck im Standard: "Der feine, aber entscheidende Unterschied, dass Erkenntnisse der Evolutionsforschung, wiewohl bzw. gerade weil sie wissenschaftlich zustande kommen, durchaus unter Widerlegungsvorbehalt stehen, während Verkündigungen von Päpsten und der von diesen eingesetzten Kommissionen, zu deren Mitgliedern bekanntlich Schönborn gehört, Glaubensauslegungen sind, die nie und nimmer einem Prozess von Versuch und Irrtum unterworfen sind, wird durch eine pseudowissenschaftliche Terminologie, derer sich Kreationisten, Vertreter des intelligent design' und neuerdings auch der Wiener Kardinal bedienen, verwischt."

"Bin kein Kreationist!"

Kardinal Schönborn seinerseits bestritt im orf-Radio, für den Kreationismus, der den biblischen Schöpfungsbericht wörtlich nimmt, einzutreten: "Ich halte solche Versuche für schlichtweg unsinnig." Es sei ihm vielmehr um eine größere Bereitschaft zur Diskussion über die Zielgerichtetheit der Evolution ("Intelligent Design") gegangen: "Manche Leute wollen quasi dogmatisch befehlen: es darf darüber nicht diskutiert werden. Natürlich darf über Intelligent Design' diskutiert werden." Wer das wissenschaftlich abdrehen wolle, der handle im Grunde so, wie man es der Kirche vorwerfe, dass sie nämlich Inquisition betreibe. Schönborn im orf-Radio: "Das ist eigentlich die Speerspitze meines Artikels: Ich plädiere für die wissenschaftliche Freiheit."

In der Tageszeitung Die Presse nahmen eine Reihe von Wissenschaftern zum Schönborn-Kommentar Stellung: Der Biologe Kurt Kotrschal von der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau wirft Schönborn "kirchliches Machtstreben" vor; der Kampf der Kulturen gehe nicht zwischen Islam und Christentum, sondern zwischen Aufklärung und Fundamentalismus. Der evangelische Theologe Ulrich Körtner gibt Schönborn hingegen in einem Punkt recht: Evolutionstheorie und Schöpfungslehre seien nicht so leicht auf einen Nenner zu bringen. Aber, so Körtner in der Presse, Schönborn ziehe die falschen Schlüsse daraus, er wolle Schöpfung und Evolution integrieren, "aber die konträren Sichtweisen lassen sich nicht durch einen übergeordneten Standpunkt aufheben". Widerspruch zu den Kardinalsüberlegungen äußert in der Presse auch der Quantenphysiker Anton Zeilinger: Es sei ein Riesenfehler, wenn Religionen dort Gott einsetzten, wo es Lücken im Wissen gebe: "Dieses Rückzugsgefecht kann die Kirche nur verlieren. Wenn sie behauptet, irgendetwas in der Biologie sei nicht durch die Evolution erklärbar, werden die Biologen Vergnügen daran finden, dies zu widerlegen."

Unentwegte Schöpfung

Als "Schützenhilfe für Schönborn" bezeichnete die APA Aussagen des Wiener Pastoraltheologen Paul Zulehner und des christlichen Philosophen Rudolf Langthaler. Zulehner erklärte: "Das ist der Versuch, in einem Dialog zu bleiben, zwischen Glauben und Biologie", und Langthaler meinte, Schönborn habe lediglich klargestellt, dass er sowohl eine Auslegung der Schöpfungsgeschichte im Sinne der Kreationisten als auch eine biologistische Erklärung ablehnt, die völlig ohne göttliche Schöpfung auskommt. Langthaler: "Die empirischen Wissenschaften blenden natürlich notwendigerweise alle Faktoren aus, die nicht empirisch feststellbar sind." Daher könne ein göttlicher Plan für sie "in dieser Weise nicht vorkommen". Und Zulehner: "Schöpfung findet unentwegt statt. In dem, was da zufällig erscheint, kann Gottes Handeln präsent sein. Schöpfung findet immer statt, auch in dem vermeintlich Zufälligen."

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