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Zum Streit um die Evolution I: Entschiedener Widerspruch zu Ulrich H. J. Körtners Polemik gegen Kardinal Schönborn. ("Darwin und die Rache Gottes", in furche 35/2006).

Kardinal Schönborn lässt nicht locker." So beginnt Ulrich Körtner, den ich in der ökumenischen Arbeit kennen-und auch - trotz sachlicher Differenzen - schätzen gelernt habe, seine Polemik. In der Tat: Der Kardinal und auch die, die ihn einladen, finden das, was er zu sagen hat, wichtig. Und manches an seiner Position hat er zum Nutzen der Sache gegenüber seiner Stellungnahme in der New York Times vor einem Jahr geklärt.

Deutlicher positioniert er sich in seinen diesjährigen Stellungnahmen jenseits von "Evolutionismus" und "Kreationismus". Vor allem besteht er auf dem Unterschied zwischen der wissenschaftlichen Evolutionslehre und dem Evolutionismus, der ihre Einsichten im Sinne einer (manchmal materialistischen) Weltanschauung verallgemeinert und auf andere Bereiche des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens anwendet.

Dazu Körtner: "Neues in der Sache hat er zwar nicht zu sagen." Die von Schönborn ausgelöste Debatte sei "wissenschaftlich unfruchtbar", seine Warnung "ein typisches Beispiel für das, was man Ideologie nennt", denn Ideologen präsentieren sich als Aufklärer des falschen Bewusstseins. Religionssoziologisch und politisch dagegen sei das Ganze "höchst aufschlussreich" - als Teil einer katholischen Restauration, die Körtner in die Nähe von fundamentalistischen Strömungen im US-Protestantismus und in anderen Religionen rückt.

Kritik auch anders möglich

So wird Schönborn von Körtner als jemand abgestempelt, mit dem man sich eigentlich nicht auseinander setzen muss. Das halte ich für sachlich unberechtigt und ökumenisch traurig. Diskussion und Kritik sind auch anders möglich.

Die weit ausholende religionssoziologische und politische Einordnung durch Körtner entspricht zwar einem geläufigen Erklärungsmuster, eignet sich auch zur Diskreditierung, sagt aber nichts über den Wahrheitsgehalt aus - auch nicht hinsichtlich der Position Schönborns. Was Körtner mit Gilles Kepel als "Rache Gottes" bezeichnet, könnte man auch ein Erstarken des religiösen und theologischen Selbstbewusstsein nennen. Als Christ und Theologe finde ich das wichtig und erfreulich. Wenn der Club of Rome und andere auf die Moderne reagieren, dann wird das z. B. auch der katholischen Kirche erlaubt sein. Dass diese Aufbrüche nicht fundamentalistisch und ideologisch werden, sondern diskursfähig und diskurswillig bleiben, ist eine berechtigte (und auch meine) Sorge, die aber nicht gegen dieses neue Selbstbewusstsein spricht.

Apropos Ideologie: Nach Körtners Umschreibung müsste man wohl ziemlich viel als Ideologie bezeichnen - nicht nur jede Form des Widerspruchs gegen das herrschende Bewusstsein, auch die Aufklärung selbst, vermutlich auch Körtners Artikel, vor allem aber jede Form von Religion und Theologie. Immer geht es ums angemessene Bewusstsein, immer geht es darum, den Radius des Denkens durch zusätzliche Blickwinkel zu erweitern und gefährliche Engführungen aufzubrechen. Das wird doch wohl erlaubt sein? J. B. Metz hat seinerzeit gegenüber Jürgen Habermas dafür plädiert, sogar das scheinbar Rückständige im Sinne einer "produktiven Ungleichzeitigkeit" fruchtbar zu machen. Da war noch mehr christliches Selbstbewusstsein im Spiel.

Wenn Körtner die von Schönborn ausgelöste Debatte als "wissenschaftlich unfruchtbar" bezeichnet, dann habe ich nichts dagegen - Schönborn will ja kein Fachwissenschaftler sein. Wissenschaftstheoretisch, philosophisch und in der Folge theologisch beachtenswert ist sie allemal. Dem Kardinal "eine ideologisch verengte Form christlicher Schöpfungstheologie" vorzuwerfen, halte ich für unbegründet; Schönborn erhebt keinen Anspruch auf eine umfassende Schöpfungstheologie. Er wendet sich innerhalb der Schöpfungstheologie einem ganz bestimmten Spezialthema zu - das muss wohl möglich sein.

Was das inhaltliche Anliegen und die Bedeutung der Stellungnahmen des Kardinal betrifft, sehe ich (mit dem Philosophen Robert Spaemann) darin vor allem ein Plädoyer, die Vernunft nicht auf den Bereich des naturwissenschaftlichen Denkens einzuschränken. Schönborn tritt - mit vielen anderen - dafür ein, dass Vernunft mehr ist als die wissenschaftlich-instrumentelle Vernunft. Die Stellungnahmen in dieser Debatte lassen erkennen, dass das für manche kaum vorstellbar ist. "Was soll die von Schönborn eingemahnte philosophische Diskussion?", fragen sie. Aber ein solcher weiterer Vernunft-Begriff ist die Voraussetzung dafür, dass Aussagen über Gott als Schöpfer möglich und sinnvoll sind. Schönborn tritt dafür ein, dass der Glaube (und damit die Theologie) Tatsachen-Aussagen machen und nicht nur subjektive Deutungen beisteuern dürfe. Andernfalls rettet uns kaum jemand davor, dass der Diskurs über das, was der Fall ist, Gott-los wird. Mir ist bewusst, dass auch manche Theologen diese Position vertreten. Aber es gibt gute Gründe, andere Positionen zu vertreten - wie nicht zuletzt die Diskussion über die analytische Religionsphilosophie gezeigt hat.

Wider Gott-losen Diskurs

Kardinal Schönborn hat sein Plädoyer - anders als andere katholische Theologen - im Bereich der Teleologie lokalisiert. Damit hat er sich ein Feld ausgesucht, dass dem religiösen Denken nahe liegt, und das den bekannten Philosophen Antony Flew (mit seiner theologiekritischen Parabel vom "unsichtbaren Gärtner") dazu geführt hat, dass er sich nicht mehr als Atheisten bezeichnen will. Trotzdem: das teleologische Denken hat seine theologischen Probleme (Schöpfungsordnung, Naturrecht) - keine Frage. Sie können m. E. nicht durch ein Tillich-Zitat erledigt werden - zumal in der ganzen Frage natürlich auch konfessionelle Unterschiede wirksam werden.

Selbst wenn jemand die Schlüssigkeit des teleologischen Argumentes skeptisch beurteilt - an der Problemanzeige, die Kardinal Schönborn mit seinen Ausführungen, so behaupte ich, vor allem vorlegen wollte, kommt man aus theologischer Sicht kaum vorbei.

Ein reformierter Theologe muss kein Freund des Gründers der Jesuiten sein. Trotzdem möchte ich einen Satz aus dem "Exerzitienbuch" des Ignatius von Loyola zu bedenken geben: Man soll die Aussage des anderen nach Möglichkeit "retten", d.h. von ihrer stärksten Seite nehmen. Das erwarte ich mir auch in dieser Diskussion. Und ich bin sicher, man würde damit nicht nur Kardinal Schönborn, sondern auch der Sache besser gerecht werden.

Der Autor ist Professor für Dogmatik an der Universität Graz.

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