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Schlager gegen Volksmusik — 7:1

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Unter dem Titel „Öas möchten wir hören“ veranstaltet der Schulfunk von Radio Bremen seit einem Jahr einmal im Monat ein Wunschkonzert. Das Programm wird ausschließlich von jugendlichen Hörem bestimmt und enthält alle „Arten“ von Musik, von der Schnulze bis zur Symphonie. Jeder Schüler muß den eingesandten Wunsch mit einigen Sätzen begründen. Mehr als 4000 Schülerinnen und Schüler haben sich I960 an diesen Wunschkonzerten beteiligt. Hier einige besonders krasse, aber darum nicht weniger charakteristische Äußerungen:

Gisela, 13 Jahre: „Ich wünsche mir das Lied ,Tiger von Peter Kraus, weil man dazu so gut tanzen kann. Bei Bach und Mozart schläft man ja ein. Und wir können ja nicht für Bach und Mozart schwärmen, wenn wir viel tollere und schickere SchlageT hören.“

S u n h i 1 d, 12 Jahre: „Ich mag sehr gerne Volkslieder, zum Beispiel ,Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.. aber in dieser Zeit singt man das gar nicht mehr. Ich finde den Schlager ,Tom Duli sehr gut, in diesem Schlager ,Tom Duli wird die Hinrichtung sehr schön geschildert. Und darum wünsche ich mir den Schlager ,Tom Duli.“

Werner, 13 Jahre: „Mein Wunsch: ,Sie hat nur blaue Blujings (siel). Ich höre gerne, wenn Bubi so traurig singt. Er ist ja auch so wie wir."

Nun aber auch die andere Seite:

Monika, 17 Jahre: „Mein Wunsch: Bachs Doppelkonzert für zwei Violinen von Schneiderhan und Paumgartner. Bach ist wegen seiner Klarheit und durchdachten Melodieführung mein liebster Komponist. Seine Musik strahlt so viel innere Ruhe aus, sie ist einfach schön und in gewissem Grade vollkommen. Das Doppelkonzert fällt mir nur gerade so ein. Ich würde auch andere Stücke von ihm gern hören.“

Hannelore, 12 Jahre: „Von Schlagern und Schnulzen halte ich wenig. Ich bin auch von Haus aus so erzogen worden. Wenn man mich auch nicht so erziehen würde, fände ich Schlager trotzdem langweilig.“

Die Gesamtstatistik dieser Wunschkonzertsendungen läßt zwar, mit der Auswertung von nur 4000 Zetteln, kein verallgemeinerndes Urteil zu, ist aber trotzdem deprimierend. Es ergab sich nämlich das folgende Bild: Schlager 68,1% Volksmusik 10%, Oper 8,4%, klassische Musik 5,6%, Operette 4,6%, Jazz 3,3%.

Ob der musikalische Geschmack der österreichischen Jugend wesentlich anders wäre? Eine Untersuchung würde sich sicher lohnen.

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