Das große Reichenauer Welttheater

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Bei der Niederösterreichischen Landesausstellung wird Theatergeschichte zum anschaulichen Erlebnis.

In Reichenau an der Rax ist die Niederösterreichische Landesausstellung "Theaterwelt - Welttheater" zu sehen, die unter Bezugnahme auf die Region neue Perspektiven der europäische Theatergeschichte wirft. Als Koproduktion mit dem Österreichischen Theatermuseum wurde unter der wissenschaftlichen Leitung von Wolfgang Greisenegger die umfassende Schau mit selten zu sehenden und aussagekräftigen Exponaten eingerichtet.

Ausstellung wird zur Bühne

Die Ausstellung selbst arbeitet mit den Mitteln des Theaters, die Grenzen zwischen Sein und Schein verschwimmen, wenn sich professionelle Schauspieler ins Publikum mischen und die Besucherräume zu Spielplätzen etablieren. Moderne Museumsdidaktik lädt zu eigenen Darstellungsversuchen auf einer improvisierten Bühne im Hof ein, Papiertheater-Bögen beziehen sich auf eine lange Tradition und beschäftigen vor allem die jungen Besucher, originale Wind- und Donnermaschinen aus dem Burgtheater bieten Möglichkeiten zur Interaktion.

Der Anspruch, als Erlebnis-Schau wahrgenommen zu werden, spiegelt sich auch auf formaler Ebene wider. Drei zusammenhängende Teile machen aus Reichenau eine große Bühne: Im Theater werden die wichtigsten Themenbereiche in einer Multimedia-Show aufbereitet, die am Ende den Zuseher selbst miteinbezieht, so dass der Beobachter zum Beobachteten wird, der heutige Besucher selbst Geschichte und zugleich Geschichte machend.

Der durch den Kurpark zum Schloss Waißnix führende Themenweg verbindet Kultur und Natur und geht unmittelbar auf regionale Plätze ein. So wird beispielsweise der örtliche Tennisplatz mit einem Zitat von Joseph Roth in den kulturgeschichtlichen Kontext situiert und öffnet den Blick auf die Wechselbeziehung zwischen Raum und Kulturproduktion, so dass Kunst als Antwort auf gesellschaftspolitische Zustände verstanden werden kann. Der Themenweg stellt dabei auch die Frage nach einer regionalen Sommerfrischen-Nostalgie als überholtes Idylleverständnis. Wenn der Besucher die "Brücke der Erinnerung" überquert, blickt er auf das im Fluss liegende Bild des toten Kaisers, das die Tafel "Zeitfluss" ziert.

Technischer Fortschritt und seine Auswirkungen auf die Theaterwelt markieren auch den Beginn der Ausstellung, die im Schloss stationiert ist, das eigens für die Landesausstellung renoviert wurde. Die Schau thematisiert die Verbindung von Theaterkonzeption und Bühnentechnik im Zeitraum 1880 bis 1926 unter dem Motto "Tradition und Moderne". Diese historische Eingrenzung hängt auch mit dem Bau der Eisenbahn zusammen. Die Bühnenkünstler waren plötzlich mobil, Kontakte konnten geschaffen werden, Gastspiele und Tourneen wurden möglich, der so genannte Starkult hat hier seinen Ursprung, die Prominenz einer Sarah Bernhardt oder Eleonore Duse.

Ursprünge des Starkults

Es ist schwierig, Theater auszustellen, doch die Kuratoren erzählen über eine interessante Vielzahl an Exponaten, Kostümen, Devotionalien, Entwürfen, Bühnenbildmodellen und Fotos von den entscheidenden Zäsuren und Veränderungen der Zeit und davon, was Theater leisten kann und soll. So repräsentieren die Handzeichnungen des bedeutenden Ausstatters Caspar Neher Bert Brechts Theaterverständnis im Kontext der Krise der Zwischenkriegszeit, Oskar Schlemmers kubistische "Kunstfiguren" zeigen den Menschen im Aufbruch, Friedrich Kieslers Raumbühne nimmt Abschied von der Guckkastenbühne. Auch Max Reinhardts Theaterreformen, der die Regie in der heutigen Form etabliert hat, werden über seinen Einsatz der Drehbühne bis hin zur Nutzung des öffentlichen Raums für die Idee der Salzburger Festspiele nahegebracht.

Den Weg zurück zum Theater ziert eine Art Allee von Erholungsbänken, die Namen bekannter Theaterschaffender tragen, welche eine unmittelbare Beziehung zu Reichenau verband, nicht zuletzt aufgrund der Festspiele, die schon um die Jahrhundertwende in dieser so beliebten Sommerfrische jährlich stattfanden.

Den letzten Punkt markiert ein großer Spiegel mit der Aufschrift "ICH", Sinnbild für die Suche nach der Wahrheit am Ort der Täuschung und Fiktion, Spiegelbild einer Gesellschaft und nicht zuletzt Selbsterkenntnis des Einzelnen.

Theaterwelt - Welttheater

Schloss Reichenau, bis 2. November

täglich 9-18 Uhr

www.noe-landesausstellung.at

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