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Armee steht Gewehr bei Fuß

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Der Indianeraufstand in Chiapas hat Mexikos Anspruch, Teil der „Ersten Welt" zu sein, ins Wanken gebracht. Als frisches Mitglied der Nordamerikanischen Freihandels-Gemeinschaft Nafta konnte Mexikos Regierung plötzlich nicht mehr - wie dekadenlang zuvor - die Armee zur Niederschlagung des Aufstandes einsetzen. Aus der Perspektive der Regienmg mußte wohl oder übel nach den ersten Gefechten rasch ein Waffenstillstand ausgehandelt werden, denn das eigentliche Vorhaben - faire Wahlen am 21. August - hat absoluten Vorrang.

Dabei profiliecten sich Staatspräsident Carlos Sahnas de Gortari, sein Bevollmächtigter Manuel Camacho Solis, Bischof Samuel Ruiz und natürlich „Subcomandante Marcos", der intellektuelle Führer der Indianerbauern von Chiapas, der immer mit einer Skimütsje auftritt. Die rechte Wirtschaftszeitung „Summa" will in ihm einen -homosexuellen - Jesuiten erkannt haben: die Kirche läßt jetzt den Angesprochenen, Padre Geronimo Hernandez, die Verleumder klagen.

So entstand eine diffuse Situation des Zuwartens. Eine Situation, bei der die mestizischen Landbesitzer und Viehzüchter von Chiapas, eng mit der Regioerung verbunden, in die Zwickmühle ~

in Teilen der Staatsgewalt im Moment kein Sagen hat, besetzten landlose Inidanerbauern, auf uralte

Rechte pochend, eine ganze Reihe von Höfen und Landstrichen, trieben das Vieh weg, bedienten sich aus den Vorratskammern und verjagten die Eigentümer.

Solche Unbill traf nicht nur moderne Großgrundbesitzer, sondern auch mittlere und kleinere Mestizenbauern, deren Brandrodungen den Indianern immer ein Dorn im Auge waren. Landbesetzungen bleiben auch nicht mehr auf Chiapas - wo angeblich

50.000 Hektar in Indianerhand wechselten - beschränkt, sondern ereignen sich sporadisch im ganzen Land.

Präsident Sahnas steckt in der Klemme: bis zu den August-Wahlen muß Friede herrschen, was nichts anderes heißt, als daß gegen die Land-besetzer keine Staatsgewalt eingesetzt werden darf. So rücken die regierungstreuen

Viehzüchter von Chianas, die im Sinne des Modernisie-rungsprogrammes von Sahnas für Agroexport sorgen, in die Rolle des Bauernopfers. Erbittert erzwangen sie im April eine Debatte mit dem Präsidenten, der „bald" eine Lösung versprach.

Als Sprecher der zornigen Viehzüchter von Chiapas tritt der junge Jorge C. Kanter auf, der damit zu einer weiteren Schlüsselfigur der Chiapas-Verhandlungen wurde. Dem

Präsidenten gegenüber zeigte sich Kanter noch geduldig. Ganz Mexiko weiß jedoch, daß die Viehzüchter, deren Besitz völlig zu entgleiten droht, aufrüsten. Gegenüber der Tageszeitung „Jornada" ließ Kanter wissen, er und seine Nachbarn würden mit 400 Söldnern rasch mit dem Indianerspuk in der Region aufräumen können. KD.

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