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Unterstützung statt Rücktrittsforderung!

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Setzt Rom nach dem Bischof von Evreux den von San Cristobal de las Casas ab?

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Setzt Rom nach dem Bischof von Evreux den von San Cristobal de las Casas ab?

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Der Vatikan hat Bischof Dr. theol. h. c. Samuel Buiz Garcia aus Chia-pas/Mexiko zum Rücktritt aufgefordert. Als Grand hat Kardinal Juan Sandoval Ifil-guez angegeben, Bischof Ruiz könne nach Auffassung des Vatikans nicht gleichzeitig sein Amt als Bischof ausüben und zwischen der Regierang und den zapatistischen Rebellen vermitteln.

Die Katholisch-Theologi: sehe Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen bezeugt ihr Unverständnis für eine solche Begründung. Sie hat Bischof Samuel Ruiz Garcia gerade aufgrund seiner Bemühungen um eine friedliche Regelung des Konfliktes und seines Engagements für die benachteiligten und unterdrückten Indio-Völker vor kurzem mit dem theologischen Ehrendoktorat ausgezeichnet. Auch in unserer Zeit sind diejenigen, die Frieden stiften, selig zu preisen!

Die Fakultät hat darauf hingewiesen, daß sie die politische Vermittlung des Heiligen Stuhles im Konflikt zwischen Argentinien und Chile für eine verdienstliche, dem Evangelium entsprechende Handlungsweise hält. Wir erwarten für Bischof Samuel Ruiz Garcia weltkirchliche Unterstützung für seinen Dienst am Frieden in Mexiko.

Eine Absetzung des Bischofs würde katastrophale Folgen in Mexiko haben und zu einer Eskalation des Blutvergießens führen. Inner-kirchlich wäre die Grenze zur Spaltung erreicht, für viele Katholiken ist die Diskrepanz zwischen den päpstlichen Sozialenzykliken, den dauernden Aufrufen zur sozialen Gerechtigkeit und der Behinderung von Bischöfen, die dies in konkreter, oft aussichtsloser Lage zu realisieren versuchen, nicht mehr akzeptabel.

Der Vorwurf an Bischof Samuel Ruiz, daß er ungewöhnliche pastorale Wege suche, ist inkonsequent: In einer derart zerrütteten und ungeheuerlichen Konfliktsituation sind tatsächlich ungewöhnliche pastorale Wege einzuschlagen. Was denn anders?

Denjenigen, die in wohlausgestatteten Räumen sitzen und von dort aus solche Urteile fällen, traue ich weniger zu als dem, der mitten in den Verwicklungen schon viel Blutvergießen verhindert hat.

Die konkreten Aussichten in der höchst angespannten Situation in Chiapas reichen nicht weit. Auf kurze Sicht ist es Aufgabe von Bischof Samuel Ruiz, in der von ihm geleiteten Vermittlungskommission alle widerstreitenden Kräfte zum Dialog zu bringen und im Dialog zu halten.

Es geht um die Krise eines ungerechten Staatsmodells, in dem für die Indios kein Platz ist. Natürlich gibt es den bekannten „Indigenismo”, darunter wird verstanden, für die Indios zu arbeiten, um sie in die bestehende Gesellschaft politisch, kulturell und sozial zu integrieren. Aber dies ist zu wenig! Es geht vielmehr um die Anerkennung der Indios, ihrer Kultur, ihrer Fähigkeit zur Gemeinschaft und ihres Produktionsprozesses.

So sprechen die Zapatisten nicht ohne Grand von der Würde, die den Indios gerade nicht zugebilligt wird. Bischof Samuel Ruiz betont in seinem berühmt gewordenen Dokument, daß es bei der geforderten Würde um mehr gehe, als die Zapatistas fordern, nämlich eine wahrhaft pluralistische Gesellschaftsordnung, in der die Indios nicht nur gleiche Anerkennung genießen, sondern an der sie aktiv teilnehmen, um die Gesellschaft mitzugestalten.

Das bedeutet: Die kulturelle Andersheit hat keineswegs nur kulturelle Folgen innerhalb einer pluralistischen oder pluriethnischen Gesellschaft, sondern auch soziale und politische Folgen, vor allem im Hinblick auf die Demokratie. Diese wird weder durch militärische Mittel verwirklicht, daher die vehemente Betonung des Dialogs durch den Bischof, noch durch die bloße Stimmabgabe bei einer Wahl, vielmehr durch die ständige Teilnahme aller „Bürger”, auch der „anderen”, also der Nichtakzeptierten und Diskriminierten, der Ausgestoßenen und Marginalisierten.

Auf den Punkt gebracht geht es um die Würde der Indios und ihre Autonomie. Es geht um die Landverteilung. Die Aussagen der Sozialenzykliken von Paul VI. und Johannes Paul II. sind in dieser Frage eindeutig gegen die Großgrundbesitzer und für die Rechte und die Würde der Armen formuliert.

Nur, wenn es konkret wird, dann müßte von päpstlicher Seite Unterstützung für jene Bischöfe kommen, die solch hehre Forderangen mühsam, unter Einsatz ihres Lebens vermittelnd zwischen den sozialen Gruppen realisieren.

Seit dem 1. Jänner 1994 ist im Bundesstaat Chiapas Krieg, der zwar nach wenigen Tagen der Kampfhandlungen zum Stillstand kam, der aber untergründig andauert und immer wieder starke Spannungen zwischen den sich gegenüberstehenden Parteien, auf der einen Seite das mexikanische Heer und auf der anderen Seite das nationale Befreiungsheer der Zapatistas, zum Ausbrach kommt.

Zwischen den Fronten steht der von beiden Seiten anerkannte, wenngleich von den Reichen in Chiapas bisweilen mit dem Tode bedrohte Bischof Samuel Buiz Garcia. Die Vermittlungsarbeit tragen verschiedene Gruppen von „Pastoralarbeitern”. Damit hängt nicht alles von einem ab, sondern von einer Vielfalt befähigter Frauen und Männer, die in der nationalen Vermittlungskommission (Comision national de In-termediacion) arbeiten - so Carlos Lenkersdorf am 13. November 1994 an der Universität Tübingen.

Gerechtigkeit ist unteilbar, kirchliche Glaubwürdigkeit ebenfalls. Hat man in Polen den Kampf der Bischöfe gegen das Unterdrückungssystem unterstützt, so muß man auch den Kampf des mexikanischen Bischofs Samuel Buiz Garcia gegen das dortige Unterdrückungssystem unterstützen. Wenn sogar schon die USA Mexiko zur Einhaltung der Menschenrechte auffordern, dann hätte der Vatikan allen Grand, diesen Bischof zu stützen, anstatt ihn zum Rücktritt aufzufordern.

Der Autor ist

Universüätsprqfessor für Religionspädagogik in Tübingen.

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