6793296-1970_49_14.jpg
Digital In Arbeit

König Feisal ist ein todkranker Mann

Werbung
Werbung
Werbung

In Beirut kursieren alarmierende Meldungen über den Gesundheitszustand des fünfundsechzigjährigen Königs Feisal Ibn Abdel Asis Ibn Saud. Der Monarch war aus zunächst unbekannten Gründen der Beerdigung Nassers ferngeblieben, den er seit 1967 finanziell über Wasser hielt. Jetzt enthüllten saudische diplomatische Kreise die Ursache: Der König, schon seit Jahren krank, leidet an den Folgen einer wenige Tage nach dem Tod des Nildiktators durchgeführten, gefährlichen Operation. Die Krankheit ist ein Staatsgeheimnis. Immerhin sickerte durch, daß die Operation nicht das erwartete Ergebnis zeitigte und der König demnächst in Genf nochmals operiert werden soll.

Er ist der Zweitälteste Sohn des Staatsgründers Abdel Asis Ibn Saud. Ibn Saud, den man in der arabischen Welt den Großen nannte, war Abkömmling eines unbedeutenden innerarabischen Stammesfürsten, der Ende vorigen Jahrhunderts vor seinen Todfeinden nach Kuweit flüchten mußte. Von dort begann sein Sohn in den zwanziger Jahren einen langen Feldzug gegen die damals von Mekka aus herrschende Hasche-mitenfamilie.

1926 ernannte er sich selbst zum König des Hedschas, 1934 war er Herr der ganzen Arabischen Halbinsel mit Ausnahme Kuweits, des Jemen, Adens, und der unter britischem Protektorat stehenden kleinen Scheichtümer am Persischen Golf. Scherif Hussein von Mekka verlor Thron und Kalifenititel, die

Engländer fanden seine Söhne Feisal und Abdullah mit den künstlich geschaffenen Monarchien Irak und Transjordanien ab. Ibn Saud gelangte durch riesige Erdölfunde zu Reichtum und Ansehen. Er hatte hunderte Nachkommen, seine Söhne bezeichnete er als die schönsten Perlen seiner Krone. Der Erstgeborene, der'spätere König Saud I., war jedoch eine taube Perle. 1953 folgte er dem Vater auf dem Thron, in wenigen Jahren waren die finanziellen Rücklagen aufgezehrt, die Öltantiemen vergeudet, der wirt-' schaftliche und soziale Fortschritt stockte und das Land stand vor dem Bankrott. Ibn Saud scheint das vorausgeahnt zu haben. Auf dem Sterbebett mußte ihm der nachge-borene Feisal versprechen, den alteren Bruder nicht vom Thron zu stoßen.

Feisal hielt sich mehr als zehn Jahre an dieses Gelübde. Er ist ein politisches Genie von in der modernen arabischen Geschichte selten anzutreffenden Qualitäten. Schon als Vierzehnjähriger vertrat er sein Land in London, 1945 gehörte er in San Franzisko zu den Gründern der Vereinten Nationen. Seit 1958 leitete er die Regierungsgeschäfte in ErRiad. Doch seine Warnungen an den Bruder fruchteten nichts, er blieb machtlos gegen dessen Verschwendungssucht und politische Fehler. Saud verpraßte Millionenbeträge mit seinen Mätressen und Lustknaben, verhätschelte seine zahllosen Nachkommen mit kostbaren Geschenken, bestach die unwilligen Stammesscheichs und finanzierte Mordanschläge gegen Nasser. Ein „Rat der Weisen“ entthronte Saud, unterstellte das Land der Regentschaft Feisals und machte diesen 1964 zum König. Seitdem erlebte das riesige, menschenleere Wüstenreich einen raschen innen- und sozialpolitischen wie wirtschaftlichen Aufstieg. Die Justiz wurde humanisiert, das Erziehungswesen modernisiert. In der Außenpolitik leistete Feisal dem panarabischen Vorherrschaftsanspruch des ägyptischen „Rais“ energischen Widerstand. Während der abgesetzte Saud sich mit Nasser aussöhnte und in Kairo lebte, finanzierte Feisal die Wüstenkrieger des jemenitischen Imams gegen das ägyptische Expeditionskorps. Feisal beendete die Feindschaft mit dem haschemitischen

Herrscherhaus und unterstützte Hussein. Die revolutionäre Strömung im eigenen Land konnte er nicht beseitigen. Es kam zu mehreren gescheiterten Umsturzversuchen mit nachfolgenden Massenverhaftungen und Hinrichtungen.

Saudi-Arabien hat eine Million Quadratmeilen bei sechs Millionen Einwohnern, aber unermeßliche Erdölreserven. Intime Kenner glauben, daß sich die selbstbewußten Stammesscheichs, deren Gefolgschaftstreue Ibn Saud erzwang und Saud I. erkaufte, während Feisal ihre Ansprüche ignorierte, sich einem jüngeren Herrscher kaum so leicht unterwerfen werden. Gefährlicher noch sind die Rivalitäten innerhalb der weitverzweigten königlichen Familie. Im Hintergrund warten republikanische Armeeoffiziere auf ihre Stunde, die den Zerf al dieses Staatsgebildes bedeuten könnte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung