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Preußische Ballade

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Seit der Wilhelminischen Ära gilt Kleists „Prinz von Homburg“, der jetzt in einer guten Aufführung in den Linzer Kammerspielen zu sehen ist, als das preußische Soldatenstück. Diese Auffassung geht indes an der Thematik des Dramas vorbei. Es geht weder um preußische Geschichte noch um Soldatentum. Der Dichter scheut sich nicht, historische Tatsachen zu ändern. Der junge, schwärmerische, unverheiratete

Prinz von Homburg ist Kleists freie Erfindung, da der historische Prinz zur Zeit der Schlacht bei Fehrbellin schon als schwedischer Obrist ein Bein eingebüßt hatte und außerdem zum zweitenmal verheiratet war. Der Dichter verarbeitet Legenden, die sich früh an Fehrbellin knüpften, gab aber dem Prinzen viele eigene Züge. Zur Zeit, da das Drama entstand, war Kleist auch keineswegs ein begeisterter Soldat. Et- bewarb sich dringend um eine Stelle im Zivildienst. Der Gedanke, nicht gegen die Franzosen, sondern nach dem Abschluß der Allianz Preußens mit Napoleon für sie kämpfen zu müssen, war für den Dichter der „Hermannsschlacht“ unerträglich. Er schrieb am 10. November 1811 an seine Schwester Ulrike, daß dies

„eben nicht gemacht sei, ihn am Leben zu erhalten“. An seinem Vaterland verzweifelnd, glaubte er, nur zwischen Hunger, Kampf für eine schlechte Sache und Selbstmord wählen zu müssen. Elf Tage nach diesem Brief setzte er seinem Leben ein Ende. — Es entspricht daher durchaus dem Gehalt des Dramas, wenn Gerhard Knick in seiner Regie das Menschliche herausarbeitet, das Bleibende, Allgemeingültige betont — wie übrigens wenige Tage später auch Stroux in seiner Regie in Düsseldorf. Das indifferente Bühnenbild von Heinz Köttel ist zwar nicht einstimmend, kann aber irgendwie in all den Szenen Verwendung finden. Peter Uwe Arndt, im ersten Teil noch gehemmt, bringt die Steigerung zur Entschlossenheit der sühnenden Hingabe des Lebens sehr eindrucksvoll. Johanna Lindinger läßt die Betrauung mit der schwierigen Rolle der Natalie als gerechtfertigt erscheinen, wenn auch gelegentlich Nervosität die Leistung etwas beeinträchtigt. Unter den zahlreichen Darstellern gibt es keinen Versager. Der lang anhaltende Beifall galt dem Stück, der Regie und den Darstellern.

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