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Wenn Zähne sprechen können

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Fix ist vorläufig wirklich nichts. Nach wie vor liegen die Ende Jänner entdeckten sechzig Toten im steinhart gefrorenen Boden des projektierten Kraftwerkbaus Lambach. Erst wenn man ihre Skelette geborgen und wissenschaftlich untersucht hat, wird man seriöse Aussagen über ihre Herkunft und ihr Alter machen können, wobei ein Best unbeantwortbarer Fragen einzukalkulieren ist.

Nach Meinung von Christa Farka vom Bundesdenkmalamt, die im Einvernehmen mit den jeweiligen Landeskonservatoren zuständig ist für die Erschließung, Untersuchung/ Auswertung und Unterschutzstellung von Fundgegenständen, steht bislang nur fest: Die Toten von Lambach sind vor mehr als fünfzig Jahren gestorben. Vorauseilende Meldungen, man wäre hier auf jüdische KZ-Opfer oder in US-Lagern umgekommene deutsche Kriegsgefangene gestoßen, entsprechen demnach nicht den Tatsachen.

Ob es sich um die Gebeine gefallener Franzosen aus der Zeit der Napoleonischen Kriege, um die Überreste in der Traun verunglückter Flößer, aus dem katholischen Salzkammergut vertriebene Protestanten oder um Opfer der Bauernkriege des 17. Jahrhunderts handelt, ist nicht mehr als Spekulation. Hinweise könnten nach Freilegung aller Skelette allenfalls vorhandene Kleidungsreste, Knöpfe und Schmuckgegenstände geben. Auch die Überprüfung des Gebisses könnte zu Datierungen beitragen: Zahnärztliche Behandlungen wurden erst spät Allgemeinpraxis, und ihre Methoden haben sich im Laufe der Zeit verändert.

Finden sich keine derartigen Hinweise, gilt allein das Wort der Gerichtsmediziner, Anthropologen und Chemiker. Morphologische Untersuchungen werden Aufschluß über Geschlecht und Sterbealter geben. Sollte sich herausstellen, daß in den Gräbern auch Kinder, Frauen und alte Männer liegen, dann wären jene Mutmaßungen falsch, daß man es mit Gefallenen oder Flößern zu tun hat.

Nicht zuletzt wird man mit chemo-analytischen Untersuchungen der Knochenstruktur das Alter zu ermitteln versuchen. „Denn", verrät der Chemiker Walter Vycudilik vom Institut für Gerichtsmedizin in Wien, „je leichter ein Knochen ist, desto älter ist er." Knochenfett, doziert er, wird innerhalb von fünfzig Jahren abgebaut. Bestimmte Aminosäuren hingegen bleiben viel länger erhalten. Überdies müssen Vergleiche mit anderen Knochen aus der Umgebung vorgenommen werden, weil sich unterschiedliche Wasser- und Temperaturbedingungen im Erdreich unterschiedlich auf den Abbau der verschiedenen Substanzen auswirken.

Eine Datierung mittels Badiokar-bontest, wo der Zerfall des in den Knochen eingelagerten Kohlenstoff-Isotops Cl4 gemessen wird, ist erst bei älteren Funden sinnvoll. Denn es dauert 5.730 Jahre, bis die Hälfte der radioaktiven C14-Atome zerfallen ist.

Für das Denkmalamt besteht nach Bergung und wissenschaftlicher Untersuchung der Funde kein Anlaß, das Areal unter Denkmalschutz zu stellen. Die Toten dürften in einem Friedhof bestattet werden.

Die Autorin ist

freie Journalistin

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