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Orgelnovitäten

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„Was die mit der Orgel treiben!” sagte in der Pause des Konzerts im Mozartsaal ein junger Mann zu seiner Begleiterin. Er meinte damit den 1928 in Stockholm geborenen Avantgardekomponisten Bengt Hambraeus und dessen zehn Jahre jüngeren Landsmann Bo Nilsson.

Nach der Pause kam noch der Spanier Enrique Raxach (Jahrgang 1932) zu Wort. Aber der entrüstete junge Herr hatte weder diesen noch wahrscheinlich — einige Monate vorher — Ligetis „Volumina“ im Großen Sendesaal des ORF gehört. Dann hätte er sich nämlich, was die Orgel betrifft, über gar nichts mehr gewundert.

Hambraeus hat sich vorn Klang der japanischen Mundorgel inspirieren lassen und nennt seine Komposition von 1967 „Shogaku“. Bo Nilssons „Stenogramme“ waren ursprünglich für Schlagwerk konzipiert und wurden 1959 in graphischer Notierung, der sogenannten „Aktionsschrift", für Orgel umgeschrieben. Auch bei Raxachs „The looking glass“von 1968 hatte der junge schwedische Organist Karl-Erik Welin große graphische Blätter vor sich, die von links nach rechts, aber auch umgekehrt und auf den Kopf gestellt, abgelesen werden können — mit denen er also praktisch machen kann, was er will.

Wie in vielen neuen Kompositionen für Orchester und elektronische Geräte geht es jetzt seit etwa 15 Jahren auch in der Orgelmusik um die Entdeckung neuer Klangräume und Strukturen. Häufig werden mehrere nebeneinander , liegende Tasten gleichzeitig niedergedrückt, vom Schweller wird reichlich Gebrauch gemacht, Register werden langsam gezogen, so daß eigentümliche Mischklänge, in denen man auch Vierteltöne vermutet, entstehen. Natürlich kommen ab und zu auch recht aparte, ja eindrucksvolle harmonische Gebilde zustande, aber die eigentlichen polyphonen Möglichkeiten der Orgel werden kaum genützt.

In den eingangs gespielten fünf Stücken von Couperinaus der Messe „Pour I’usage des Couvents“ wäre dazu Gelegenheit gewesen. Doch sie waren bei weitem nicht so unterhaltsam, wie der kluge Kommentar im Programmheft. Und bei Bachs Fantasie G-Dur (BMW 572) hat sich der Organist so sehr in den Registern vergriffen, daß harte polytonale Reibungen entstanden, gegen die das Publikum mit Recht protestierte.

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