Literatur als Mittel der Kritik

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Manfred Loimeier, Fachmann für afrikanische Literatur, gibt beim Berliner Verlag Horlemann eine eigene Afrika-Buchreihe heraus. Für ihn ist der Schritt weg von englischsprachiger Literatur wichtig.

Manfred Loimeier gilt als Fachmann für die Literaturen Afrikas. Er hat über Wole Soyinka und Ousmane Sembène promoviert und über J. M. Coetzee habilitiert, Anthologien veröffentlicht sowie zahlreiche Interviews mit afrikanischen Autorinnen und Autoren geführt. Jetzt gibt er beim Berliner Verlag Horlemann eine eigene Afrika-Buchreihe heraus.

DIE FURCHE: Herr Loimeier, die beiden ersten Romane Ihrer neuen Reihe lassen einige Schlüsse zu. In Koli Jean Bofane schreibt über die Demokratische Republik Kongo, literarisch anspruchsvoll, eloquent und systemkritisch. Christopher Mlalazi schreibt über eine Urszene der politischen Gewalt in Zimbabwe. Wollen Sie besonders eine engagierte Literatur befördern?

Manfred Loimeier: Also ich kann mir schon auch einen guten Liebesroman vorstellen. Aber es ist so, dass sehr viele afrikanische Autoren Literatur als Mittel der Kritik oder der politischen Stellungnahme verstehen. Als Beispiel Helon Habila, dessen Roman "Öl auf Wasser“ im Heidelberger Wunderhorn Verlag erschienen ist. Der sagt ganz klar, jede Form von Kunst muss in Afrika eine gesellschaftliche Variante haben. Kunst um der Kunst willen ist in Afrika kaum möglich oder denkbar, dazu sind die Umstände zu brutal. Das heißt, es ist dann auch so, dass Sie überwiegend irgendwie politisch engagierte Literatur finden, sofern Sie sich für afrikanische Literatur interessieren.

DIE FURCHE: Afrika-Literatur war lange Zeit eine Sache des Engagements kleiner Verlage und anderer Organisationen oder Einzelpersonen. Haben Afrikaner heute bessere Chancen auf dem Literaturmarkt?

Loimeier: Da hat sich leider nicht so viel geändert. Da ist es nach wie vor so, dass so eine Reihe nur funktionieren kann, wenn der eine oder andere Titel immer mal wieder gefördert wird durch Organisationen wie etwa Litprom, der Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Das ist ein ganz tolles Programm, mit dem die Gesellschaft mit Mitteln des Auswärtigen Amtes Übersetzungen fördert und einen Großteil der Übersetzungsgelder refinanziert. Ohne diese Förderung ginge es in der Tat nicht.

DIE FURCHE: Inzwischen gibt es viele afrikanische Autoren, die über die globalen Drehscheiben London oder New York in westliche Verlage kommen. Ist Afrika-Literatur, geschrieben und publiziert in Europa oder USA, genauso "authentisch“ wie auf dem Kontinent Afrika?

Loimeier: Natürlich ist der Begriff "authentisch“ sehr umstritten. Es gibt auch Autoren, die sagen, ich kann in den USA besser über meine Heimat Äthiopien schreiben, weil ich dann die Distanz dazu habe und nicht im Alltag untergehe. Also, da finden Sie auch die Perspektive, wo jemand wie Shimmer Chinodya aus Zimbabwe sagt: Meine besten Bücher schreibe ich im Ausland. Wenn es mir gelingt, über ein Stipendium beispielsweise in Deutschland aus Afrika herauszukommen und dann in der Differenz dessen, was ich hier erlebe, mir klarzuwerden, was denn das Afrikanische in meinem Schreiben ausmacht. Es gibt Autoren, die sagen, ich muss alle zwei Jahre nach Afrika fahren, um die Gerüche zu kennen, um die Farben wiederzusehen, den Himmel, die Erde, die einfach diese sinnlichen Eindrücke brauchen. Und es gibt natürlich auch die Fraktion, die sagt, afrikanische Literatur kann nur in Afrika selbst entstehen, sonst ist sie nicht authentisch. Also auch das ist ein weiter Begriff.

DIE FURCHE: Was ist ein afrikanischer Autor?

Loimeier: Ja, das ist jetzt genau die Frage, die letztlich sehr wichtig ist und auf keinen Fall eindeutig beantwortet werden kann. Also, ein afrikanischer Autor ist auf jeden Fall dann ein afrikanischer Autor, wenn er aus Afrika kommt. Jetzt kann man natürlich schon diskutieren, was hilft es, wenn er dort geboren ist und ansonsten seit seiner frühen Kindheit in den USA lebt, wie zum Beispiel Maaza Mengiste aus Äthiopien, deren Buch gerade bei Wunderhorn erschienen ist, die von sich selbst sagt, ich bin genauso gut Amerikanerin wie Afrikanerin. Immerhin gibt es auch Autoren, die sich als afrikanisch verstehen, aber in Europa oder den USA oder Kanada leben und schlichtweg nur afrikanische Eltern haben, aber von ihrer Identität her oder von ihrer Positionierung auf dem Markt oder in der Gesellschaft verstehen sie sich als afrikanische Autoren. Auch das ist denkbar.

DIE FURCHE: Afrikanische Literatur kennt viele Sprachen, sowohl die drei europäischen Literatursprachen als auch die in der Literatur weniger präsenten afrikanischen Sprachen selbst. Gibt es in ihrer Reihe die Idee eines sprachpolitischen Ausgleichs?

Loimeier: Nun ist Afrika ein großer Kontinent mit vielen verschiedenen Ländern und vielen Sprachen. Im übrigen nicht nur drei europäische Sprachen, es gibt natürlich vor allen Dingen Literatur in englischer, französischer und portugiesischer Sprache.Aber wenn Sie an Äquatorial-Guinea denken auch in spanischer Sprache und es gibt im Bereich Somalia und Eritrea Autoren, die auf Italienisch schreiben. Diese Autoren leben teilweise in Rom, das ist einfach eine Plattform, die wir nicht so im Blick haben. Und von daher war es schon auch meine Intention, von Anfang zu sagen, ich will weg von einem nur englischsprachigen Programm und hin zu einem ausgewogeneren Programm. Es erscheinen derzeit ja nur zwei Titel pro Jahr, also wir fangen ganz langsam an, der erste war frankophon, der zweite wird anglophon sein. Das Ziel ist es, dann im übernächsten Jahr auch mal eine andere Sprache mit einbringen zu können.

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