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Weg mit der Brille des Ethnologen!
Der Anspruch des „Sura za Afrika-Festivals" (Gesichter Afrikas) ist gewaltig: Es versucht, „nicht nur die kulturelle Vielfalt, sondern auch das eigenständige Potential unseres südlichen Nachbarkontinents der österreichischen Öffentlichkeit nahezubringen."
Das Festival läuft auf zwei Schienen: eine will mit Veranstaltungen auf einen Kontinent mit seinen spannenden, bisweilen erschreckenden Entwicklungen aufmerksam machen, die andere möchte in einem wissenschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und philosophischen Dialog mit Fachleuten aus Afrika und Österreich das „Wiener Memorandum" erarbeiten. Dieses Dokument soll als Empfehlung an europäische und afrikanische Regierungen formuliert werden, um Leitbilder für das dritte Jahrtausend vorzustellen. Außerdem wird im Hörfunk im Programm Öl mit Sachverstand afrikanische Musik und Literatur präsentiert.
In der Kunst.Halle.Krems wird in einer Ausstellung mit dem Titel „Die andere Reise. Afrika und die Diaspora" zeitgenössische Kunst gezeigt. Anhand von Bildern, Skulpturen und Installationen von zwanzig Künstlern aus verschiedenen Ländern Afrikas und seiner Diaspora soll ein breites Bild des Kunstschaffens präsentiert werden. Unter „Diaspora" versteht man die Nachfahren ehemaliger Sklaven und Emigranten, die in der Karibik, auf dem amerikanischen Kontinent und in Europa leben.
„Die andere Reise" enttäuscht, denn sie ist zu sehr auf den internationalen Kunstmarkt ausgerichtet. So
werden im Zuge der Ausstellung einfach alle Schwarzamerikaner unter dem Deckmantel der Diaspora als Afrikaner ausgegeben.
Es nähme also nicht Wunder, würde der eine oder andere Künstler bei einer internationalen Ausstellung, mit einem anderen nationalen Etikett versehen, ausgestellt werden. Doch was diese Kunst den Menschen in Afrika bedeutet, geht in der Kremser Schau nicht klar hervor.
Diese Einwände sind aber keine Kritik an der Qualität der Kunstwerke, sondern an der Auswahl, die jene Kunst zu wenig berücksichtigt, die sich der unterschiedlichen Lebenswelten in Afrika annimmt. So sind die
gezeigten Arbeiten eher dem Urbanen Bereich zuzuordnen, der die Öffnung zur Weltkunst vollzogen hat. Kunstwerke, die sich mit Themen wie „Leben in Slums" oder mit Akkultura-tionsproblemen auseinandersetzen, sind nicht zu sehen.
Allerdings ist so eine große Auswahl in Österreich noch nie gezeigt worden. Es wird auch nicht mit der oft mitleidigen Brille des Ethnologen auf den Nachbarkontinent geblickt oder die übliche hegemonistische Mauer auf-
gerichtet, die afrikanische Kunst als Objekt eines eurozentrischen Voyeu-rismus versteht. Es fällt jedoch auf, daß in Krems der komplette nord- und ostafrikanische Raum ausgeklammert bleibt.
Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Kunst und Religion, Kult und/oder Mythos werden nicht gestellt. Erst eine Reihe von Ausstellungen würde über das Dilemma der eingeschränkten Rezeption im Westen hinweghelfen, die Kunstwerke entweder als Ausdruck einer Weiterentwicklung einer Kultur oder als Teil der internationalen Entwicklung sieht.
Wer über zeitgenössische afrikanisches Kultur spricht, wird die vielfältigen literarischen Räume nicht aussparen können. Davon wird jedoch wenig geboten, denn es sind nur vier Autoren aus Staaten, in denen Portugiesisch (Angola, Mosambik und Kap Verde) die Ämtssprache ist, eingeladen.
Während der letzten Jahre sind Autoren und Journalisten in Afrika für ihre politische Überzeugung verfolgt, eingesperrt und hingerichtet worden, wie etwa Ken Saro-Wiwa. Warum ausgerechnet das politisch Brisanteste, die Literatur nämlich, fast ganz ausgeklammert wurde, darüber läßt sich spekulieren. Entweder wollte man ein Festival, das sich kulinarisch und harmlos gibt, oder man hat auf die Literatur wieder einmal vergessen. Was allerdings nicht verwundert, sind doch jene Institute, die sich mit dem Dialog zwischen Afrika und Österreich seit Jahren beschäftigen wie etwa der Kunstverein Alte Schmiede, der Österreichische P.E.N.-Club und die Österreichische Gesellschaft für Literatur für die Gestaltung des Programms nicht zu Rate gezogen worden.
Wahrscheinlich zeigt sich in Krems das Problem des österreichischen Umgangs mit Afrika. Auch die eine oder andere verdienstvolle Aktivität des Leiters der Kremser Kunsthalle, Wolfgang Denk, kann an diesem Bild nichts ändern. Nun wird versucht, mit einem Schlag Versäumtes nachzuholen. Doch ein Festival kann eben kontinuierliche kulturelle Beziehungsarbeit nicht ersetzen.
Die andere Reise
Afrika und die Diaspora. Aktuelle Kunst KunstHalle.Krems bis 30. Juni Informationen zum weiteren Programm Tel: 02732/82669.
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