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Wie dunkel ist Afrika?

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IM LICHTEN KONTINENT. Erfahrungen eines Ethnologen in Ostafrika. Von U. R. Ehren fei s. Progreß-Verlag Johann Fladung, Darmstadt. 325 Seiten, zahlreiche Illustrationen.. Preis 16,80 DM. - DAS GRÜNE GNU. Erzählungen aus Südafrika. Herausgegeben von Elisabeth Schnack. 559 Seiten.Preis 24,80sFr. — TAMTAM. Erzählungen aus Ost-, West- und Zentralafrika. Herausgegeben von M. L. L Usch er. 492 Seiten. Preis 22,80 sFr. Beide Sammlungen in der Reihe Diogenes-Anthologie, Diogenes-Verlag, Zürich.

cnrenreis, aer emsr mit aem „vnenz-bund“ die erste afro-asiatische Studentenorganisation an der Wiener Universität gegründet hatte und inzwischen längst zur Professur und zu internationalem wissenschaftlichem Lorbeer gelangt ist, legt hier, allgemeinverständlich dargestellt, die Ergebnisse einjähriger Feldforschung vor, die von der schwedischen Elin-Wägner-Stiftung für Ostafrika getragen wurde. In einer Zeit, in der wenige Berufene und nur zu-viele Unberufene eine Hausse in Afrika-Literatur veranstalten, ist ein Werk wie dieses, das auf Grund streng wissenschaftlicher Tätigkeit eines Ethnologen entstand, insofern besonders zu begrüßen, als es Phänomene ins Licht rückt und am Beispiel Ostafrika exerziert, die, entsprechend variiert, für den Großteil des Schwarzen Kontinentes gültig sind, ohne deren Kenntnis der weiße Mann selbst mit den bestgemeinten Projekten Schiffbruch und zuletzt Undank ernten muß.

Der weiße Mann, Europäer, Amerikaner oder Angehöriger des Ostblocks, muß endlich aufhören, mit einem Afrika zu experimentieren, wie er es zu sehen beliebt, und welches es in Wirklichkeit nicht gibt. Wenn Ehrenfels hier Probleme, wie etwa jenes des traditionellen Mutterrech-

tes in Tanganjika aufrollt und, davon ausgehend, die Frauenfrage in solchen Gebieten neu zur Diskussion stellt, oder wenn er europäische Missionsarbeit auch dort unter die scharfe Lupe nimmt, wo sie nicht durchaus zum Vorteil der Afrikaner geleistet wird, kommen damit Themen ins Gespräch, von denen hohe und höchste Behörden in der westlichen wie in der östlichen Welt fast ausnahmslos nicht die geringste Ahnung haben — obgleich sie es sind, die über astronomische Gelder verfügen, die freilich nicht immer zum echten und dauernden Nutzen für die Weltgemeinschaft der Völker, dafür aber oft zum Schaden für Afrika und rückwirkend auch wieder für den naiven weißen Mann wirksam werden.

Die tiefen Einsichten des Verfassers, der es auch dem Laien klarzumachen versteht, in welchem Maß exemplarische Ereignisse — für die Europäer verantwortlich zeichnen — in das Bewußtsein des schwarzen Mannes treten, ins Unbewußte absinken und von dorther schließlich eines Tages zu gefährlicher Lebendigkeit erwachen, sollten der weißen Welt zu denken geben. Insgesamt ist es schwer, zu sagen, was an diesem Werk bedeutsamer ist; die vorausgehende Arbeit des Feldforschers oder di

Art der Darstellung der Verhältnisse — so menschlich, so uns nahetretend, daß wir meinen, mit unseren ureigensten Problemen, die wir täglich lösen müssen, befaßt zu sein.

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Die in den beiden kostbaren Bänden, „Tamtam“ und „Das grüne Gnu“, zusammengefaßten Erzählungen ergänzen das vorgenannte Werk des Ethnologen auf glückliche Weise. Sie zeigen, wie hell es in der Seele des Afrikaners sein kann, wenn er nicht überfordert oder mißleitet wird — doch auch, welche bitteren Enttäuschungen es überall dort gibt, wo der schrankenlose Hochmut und ebensolche Egoismus des weißen Mannes sich breitmacht.

Vor allem aber und immer wieder können wir nur staunen über die Fabulierlust und Erzählkunst, die hier zutage tritt, wobei es wohl zu unterscheiden gilt, wo noch ungebrochene Traditionen fortwirken oder wo im Gegensatz hierzu aus dem Schutz der Überlieferung herausgefallene Menschen auf ihre Weise versuchen, mit all dem Neuen fertig zu werden, das durch den weißen Mann über ihren Kontinent kam.

Immer seltener werden jene Afrikaner, welche die Welt noch wie ihre Vorfahren durch und durch auf magische Weise erleben — wir erinnern uns der großartigen Sammlung des Wiener Völkerkundlers Peter Fuchs (Afrikanisches Dekameron, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart), dem es voll gelungen war, die autochthone Denk-und Erlebnisweise von Eingeborenen, infolge geringer Berührung mit Fremden durchweg noch intakt, mit allen dichterischen Schönheiten wiederzugeben. In den beiden nun vorliegenden Bänden ist es dagegen vorwiegend das aktuelle Afrika in seinen staunenswerten Mischzuständen, die jederzeit zu unerwarteten Geschehnissen führen können, wiedergegeben — das wahre Afrika von heute mit all seinen Diskrepanzen, seinen schmerzhaften und doch immer wieder Leben zeugenden Spannungen. Neben einheimische Autoren treten berühmte Schriftsteller, wie Blaise Cendrars, Nadine Gordimer öder H. G. Wells, die bei aller Verschiedenheit etwas gemeinsam haben: die tiefe Liebe zu Afrika, dem alt-jungen Kontinent, der heute näher als jemals vor Europas Haustür liegt.

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