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Versuch einer Verpflanzung
Heuer steht der „steirische herbst" unter dem Begriff „Remix", ein Wort, das man im Wörterbuch vergeblich sucht. Es ist ein Kunstwort, und hat als solches in einem Festival der Kunst durchaus seinen Platz. Man verstehe darunter das neue und ungewohnte Zusammenfügen bekannter Elemente, die daraus entstehende Mannigfaltigkeit im positiven Sinn, aber auch das Unreine, den Mischling, den Bastard.
Nun finden sich solche Hybriden allerorts, für den „steirischen herbst" hat man die Vermischung von Kulturen ausgesucht. Das könnten nun die heute so eifrig geförderten multikulturellen Sozietäten sein, doch so leicht will man es sich im „herbst" nicht machen. Es geht um eine viel schwerwiegendere, schuldbeladene Vermischung: Kolonialismus im weitesten Sinn, Unterdrückung fremder Kulturen, kriegerische Unterwerfung von Völkern, wie wir sie gerade im Herz Europas erleben, Zusammenstoß von Schichten innerhalb einer Gesellschaft.
Die Möglichkeiten des „Remix" sind unerschöpflich. Die großen Ausstellungen behandeln dieses Phänomen, beginnend mit „Inklusion/Exklusion", in einer weiten Halle des heurigen Hauptsponsors Brauerei Reininghaus. (Der einzige Nachteil dieses Ambientes ist seine Abgelegen -heit. Ohne Auto ist der Ort nur schwer erreichbar, auch eine Form der Exklusion). Das Thema ist die Überheblichkeit europäischer Kolonialisten über die Kunst der abwertend als „Eingeborene" bezeichneten Völker und deren Reaktion darauf.
Die Schau ist so reichaltig, daß nur einige Werke stellvertretend herausgegriffen werden sollen: Der Argentinier Miguel Rios zeichnet eine Landkarte, in der die Hauptstädte der ehemaligen Kolonialmächte ganz neu miteinander verbunden sind, eine Absage an die etablierte Aufteilung der Länder. Fred Wilson (USA) montiert Köpfe aus westlichem Abfall, die beim ersten Anblick wie afrikanische Kunst aussehen, tatsächlich aber herbe Kritik am Exotismus bedeuten. Yinka Shonibare hat Pappteller mit buntem Stoff überzogen und karikiert damit die touristische Sucht nach Souvenirs. Dann gibt es noch Gedenken an ermordete Roma, Flüchtlingskinder in Afrika, und Objekte aus getrocknetem Kuhmist auf Jute, einem ehrwürdigen afrikanischen Baumaterial, das betongewohnte Europäer überlegen belächeln. Kurator dieser Ausstellung ist Peter AVeibel, der im kommenden Jahr für eine derartige Aufgabe nicht zur Verfügung stehen wird.
In der Neuen Galerie untersuchen „Remote Connections" die Stellung der zeitgenössischen Kunst abseits der etablierten Zentren. Als Kurator konnte Amnon Barzel gewonnen werden, der dazu Künstler aus fünf Kontinenten zur Installation eingeladen hat. Kennzeichen der gegenwärtigen Situation ist die Überwindung räumlicher Grenzen durch die modernen Kommunikationsmittel.
Ob damit auch die Grenzen im Denken überwunden werden, bleibt abzuwarten. Zweifel steigen auf, wenn man erkennt, daß die Beiträge der einzelnen Künstler nur wenig miteinander zu tun haben, auch wenn Amnon Barzel fast beschwörend die Gemeinsamkeit der Künstler im Denken und Fühlen beschwört. Mohammed El Baz (Marokko) installiert Wohnzimmermöbel unter weißen Tüchern verdeckt, die Bewohner sind abhanden gekommen. Nur auf Urlaub oder in ein unsicheres Asyl?
Idyllisch läßt die Finnin Henrietta Lehtonen ein Video über die Leinwand laufen, aus dem ein freundlicher Delphin grüßt. Grauenerregender Gegensatz zu dieser Idylle ist eine Dokumentation des Australiers Dennis del Favero über ein Vergewaltigungslager im bosnischen Kriegsgebiet.
Das Kulturhaus zeigt eine Maria-Lassnig-Retrospektive. Die Entwicklung der Kärntner Künstlerin ist vor allem anhand ihrer Grafik nachzu-vollziehen. Aus dem Jahre 1946 stammt das früheste Selbstporträt, die neuesten Arbeiten sind Darstellungen ihres „Körperbewußtseins", keine Emotionen, wie die Künstlerin betont, sondern beinahe wertfreie Empfindungen, signalisiert von ihren eigenen Organen.
Zur Erholung nach anstrengendem Ausstellungsrundgang konnte man am Abend eine Dancehall besuchen, eingerichtet in den Räumen der Thalia. Unter dem Titel „All Fruits Ripe Soundbash" gastierte eine Art Reggae-Truppe mit Musik aus Jamaica. Doch aus dem Ambiente ihrer Heimat gerissen und in eine nüchterne Halle gestellt, verlor sie viel von ihrem Reiz. Kulturen lassen sich eben doch nicht beliebig verpflanzen.
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