6601680-1953_43_07.jpg
Digital In Arbeit

Nietzsche und das Christentum

19451960198020002020

Zwischen Seligkeit und Verdammnis. Von Johan druckerei, Frankfurt am Mai

19451960198020002020

Zwischen Seligkeit und Verdammnis. Von Johan druckerei, Frankfurt am Mai

Werbung
Werbung
Werbung

In dieser kurzen, aber „dichten“ Studie, die sich durch eine prägnante geistige Linienführung auszeichnet, versucht der Verfasser darzustellen, wie Nietzsche das Christentum sieht und was er an seine Stelle setzen will und, anderseits, wie Nietzsche vom Christentum her erscheint.

Lötz nennt als erstes Verhängnis Nietzsches, daß er das Christentum ganz im Lichte Schopenhauers, also im Zeichen der Lebensverneinung, sehen lernte. Dazu kam das verbürgerlichte Christentum seiner Zeit, die aufstrebenden Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts, die Deszendenztheorie, die liberale Bibelkritik, die freigeistige Religionsgeschichte und die einseitig verstandene kantische Philosophie.

Wie sehen nun die „neuen“ Lösungsversuche Nietzsches aus? Die „dionysische Verklärung“ des Menschen und des Daseins sei im Grunde ein sublimierter Atheismus: Gott wird auf den Menschen zurückgenommen, so entsteht der Ueber-mensch; die Ewigkeit wird in die Zeit einbezogen, wodurch die Wiederkehr des immer gleichen gegeben ist, das Sein wird vom Werden aufgesogen, womit das Dionysische als fundamentaler Wert gestiftet ist. Daraus erwächst eine weitere Hauptformel der Philosophie Nietzsches, der „Wille zur Macht“.

Im zweiten Teil der Studie werden nun diese philosophischen Postulate vom Christentum her kritisch betrachtet. Von der „dionysischen Synthese“ behauptet der Verfasser, daß sie gar keine echte Synthese sei, sondern durch Trugschluß entstanden, der seinerseits auf einer Relativierung des Absoluten beruhe. Richtig und christlich sei, das Absolute vom Relativen zu scheiden und jenes über dieses zu stellen. Die dionysische Synthese könne das Nichts nicht überwinden, da sie selber Nihilismus reinster Provenienz sei. Christlich gewertet sei daher die Philosophie Nietzsches eine Philosophie der zu Ende gebrachten Sünde, das „Nein“ zu Gott, das kein „Ja“ mehr zuläßt — und damit also eine Philosophie der Verdammnis. Das christliche Ja hingegen gewährleiste dem Menschen das, was Nietzsche dauernd anstrebt, aber nie erreiche.

Zur Methode des Autors ist zu bemerken, daß er seine Gedankengänge geschickt in einer fortschreitend vertiefenden Darstellung vorbringt. Vom christlichen Standpunkt wird man den Analysen des Verfassers weitgehend zustimmen können. Ueber Nietzsches ursprüngliche Einstellung zu Gott und Christentum wird man der Auffassung des französischen Jesuiten Lubac mehr zuneigen, der Nietzsches Abneigung gegen das Christentum und jeden Glauben als „charakteristisch“ bezeichnet und in Nietzsche gewissermaßen schon einen im „Ursprung“ angelegten Antitheisten sieht! Lötz' seinerseits will Nietzsche als einen „Typus“ festlegen, in dem sich eine bestimmte Phase der neuzeitlichen Entwicklung als solcher entfaltete. In diesem Zusammenhang wäre auch auf das lichtvolle Werk Alfred von Martins über „Nietzsche und Burckhardt“ hinzuweisen, in dem eine sehr einleuchtende Abrechnung mit Nietzsche als „originärem Genie“ durchgeführt ist. An Nietzsche Interessierte werden das schmale, aber gewichtige Bändchen von J. B. Lötz begrüßen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung