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Anton Heiller: überagende Organistenpersönlichkeit und einer der großen Komponisten Österreichs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zum 25. Todestag des undogmatischen Musikers.

Spiele wie du fühlst. Aber lerne, richtig zu fühlen!", hat Anton Heiller immer wieder von seinen Orgelschülern gefordert. "Fühlen" und "Lernen", "Leidenschaft" und "Geist" sind Begriffe, die die Kunst Anton Heillers treffend beschreiben.

Heiller wurde am 15. September 1923 im 17.Wiener Gemeindebezirk geboren, im selben Haus, in dem er am 25. März 1979 starb. Er wuchs auf, umgeben von Musik. Sein Vater war im Nebenberuf Sänger und beteiligte sich immer wieder an den kirchenmusikalischen Aufführungen der Pfarre Dornbach, wo Ludwig Jamöck Chorleiter war, ein Schüler von Franz Schmidt. Jamöck wurde der erste Harmonielehrer des jungen Anton Heiller. Von Anfang an war allen Beteiligten dessen Staunen machende Begabung bewusst, die sich unter anderem in Heillers verblüffend kurzer Studiendauer an der Wiener Musikakademie (1941/42) niederschlug. Heiller absolvierte die Fächer Orgel, Klavier, Cembalo und Theorie. Sein Lehrer Bruno Seidlhofer fand einen so gut wie fertigen Musiker vor, denn der Achzehnjährige trat zur Aufnahmsprüfung mit dem auswendig erarbeiteten Orgelwerk Johann Sebastian Bachs an.

Bach war der Fixstern im musikalischen Kosmos des Anton Heiller. Seine Interpretationen der Orgelwerke des Thomaskantors erregten - durch Schallplatten und Konzertreisen - weltweit Aufsehen und Bewunderung. In den USA gibt es heute noch Orgelfreunde, die ins Schwärmen geraten, wenn sie an seinen Unterricht und die Konzerte an der Fisk-Orgel der Gedächtniskirche am Campus der Harvard University denken. Mit 22 Jahren erhielt Heiller eine Orgelprofessur an der Wiener Musikakademie, zudem gab er viele Jahre lang Meisterkurse im Rahmen der renommierten Sommerakademie in Haarlem. Alles in allem hatte er im Lauf seines Lebens Hunderte Studenten, denen er seine ganz am Notentext haftende Interpretationsschule vermittelte. Allein das Orgellehrerkollegium der Wiener Musikuniversität setzt sich mit Peter Planyavsky, Michael Radulescu und Roman Summereder zu keinem geringen Teil aus Heiller-Schülern zusammen. Es ist nicht übertrieben festzustellen, dass man ohne Heiller Bach heute anders spielen würde.

Als Komponist zu entdecken

Während Anton Heiller für die weltweite Gemeinde der Orgelfreunde eine höchst bedeutsame Persönlichkeit bleiben wird, ist die Rezeption seines kompositorischen Schaffens vergleichsweise gering. Dabei gäbe es vieles wieder zu entdecken, was ihn in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem der zentralen österreichischen Komponisten machte: Sein "Te Deum", die "Psalmenkantate", "Passionsmusik" und "Adventmusik" (beide für Kinderchor), die 1960/61 entstandenen Zwölftonmessen, von denen eine kürzlich im ORF-Radio aufgeführt wurde, viele Orgelstücke, Konzerte und Kammermusik.

"Ich schreibe für den lieben Gott und für Menschen, die sich in irgendeiner Art und Weise mit ihm auseinander setzen wollen", sagte Heiller 1974 in einem Interview. Und dass die Auseinandersetzung mit Gott keine leichte Angelegenheit ist, spiegelt sich im Werk Anton Heillers wieder. Bis auf wenige Ausnahmen - etwa die Werke für Kinderchor - stellen seine Kompositionen hohe Anforderungen an die Interpreten, was einer Wiederbelebung seines Werks nicht eben förderlich ist. Wobei Virtuosität niemals im Vordergrund steht, vielmehr das Bestreben, die Expressivität der Harmonien und Melodien größtmöglich auszureizen. Heillers Kinder, eine Tochter und ein Sohn, können heute noch höchst anschaulich davon berichten, wie sie abends im Bett lagen und hellwach mitverfolgten, wie im Nebenzimmer ihr Vater, am Klavier sitzend, den Akkorden seiner Komposition Reibeton um Reibeton hinzu fügte, um die Farbigkeit und Ausdruckskraft des Werks zu steigern. Anton Heiller war dabei nie dogmatisch, niemals nur "Zwölftöner", "Postromantiker" oder "Avantgardist". Am ehesten war er wohl Individualist und demnach in keine musikhistorische Schublade ablegbar.

Einer programmatischen Avantgarde wollte er sich nicht anschließen, obgleich er ihr mit Offenheit gegenüber stand. "Man kann sehr gut Musiker und Klangkünstler sein", sagte er 1974, "man kann auch Musiker und nicht Klangkünstler sein, man kann aber auch Klangkünstler und kein Musiker sein, und es ist trotzdem eine Kunst! Jede Kunst hat ihre ehrlichen Ausdrucksformen. [...] Es ist auf alle Fälle besser, etwas geschieht ein wenig falsch, als es geschieht gar nichts."

Der Autor ist Religionsjournalist im ORF/Hörfunk.

CD-Tipps:

ORF-CD "Te Deum - Anton Heiller: Kompositionen, Interpretationen und Improvisationen" (3 CDs)

"Anton Heiller at Harvard - The legendary performances" (4 CDs) Hrsg.: Organ Historical Society

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