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Ein Villon-Oratorium

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Mit der Aufführung seines 23. Psalms aus dem Jahr 1963 und der konzertanten Uraufführung des Oratoriums für Sprecher, Soli, Chor und Orchester „Frangois Viüon“ wurde im Großen Konzerthaussaal einer der bedeutendsten und vielseitigsten Musiker geehrt, die wir gegenwärtig haben. Nach frühen Instrumentalwerken schrieb Anton Heiller, der Organist, Orgelspezialist und Orgellehrer, eine lange Reihe von Vokalkompositionen, u. a. eine Choralmotette, die Lydische Messe, eine „Missa in nocte“, die Kantate „Tentatio Jesu“, zwei Messen auf Zwölftonmodelle, natürlich immer wieder auch Orgelwerke und, 1956, auf einen Text von Franz Krieg das genannte Villon-Oratorium.

Nach dem sehr kompakten 37. Psalm für Chor und Orchester (ohne Geigen und Bratschen), der rhythmisch von Schlagwerk und Klavier profiliert wird und sein großes Vorbild, Strawinskys „Psalmensymphonie“, nicht verleugnet (warum auch?), wirkt das ausgedehnte Oratorium vielfältiger, farbiger, ornamentaler. Hier zeigt sich der ganze Reichtum der Heillerschen Palette, die von der Gregorianik bis zum Jazz reicht.

Der von Franz Krieg geschriebene Text gibt ihm dazu reichlich Gelegenheit und mag manche Quelle zum Springen gebracht haberj. Krieg hat sich viele Jahre mit den Gedichten und Balladen, aber auch mit dem Leben des genialen mittelalterlichen Poeten und Vaganten beschäftigt, der mehr als einmal seinen Hals im Eisen stecken hatte. Er hat die Balladen aus dem „Großen Testament“ neu übertragen und in einen Rah-

men gefügt, der das Bild des Menschen Villon zwischen seiner genialen Begabung und seinen gefährlichen Anlagen deutlich werden läßt. Dies ist vor allem die Funktion der beiden Sprecher (Eva Zilcher und Hans Christian). Vorzüglich das von Judith Beckmann angeführte Solistenquartett mit Ingrid Mayr, Josef Reti und Jaroslaw Stajnc. Der von Gottfried Preinfalk einstudierte ORF-Chor, die Wiener Singakademie, die Friedrich Lessky vorbereitet hatte und das ORF-Orchester musizierten unter der straffen Führung von Milan Horvat. Das leider nur schwach besuchte Konzert wurde ein großer Erfolg für alle beteiligten Künstler, schaffende und reproduzierende.

Es erübrigt sich, Prof. Franz Krieg anläßlich seines 75. Geburtstages näher vorzustellen, hat er doch Jahrzehnte hindurch als Musikkritiker in den Spalten dieser Zeitung verdienstvoll gewirkt. Wer seine kritischen Zeilen verfolgt hat, weiß, wie er, zumeist kurz und bündig, immer aber treffend und objektiv zu schreiben verstand. Das beweisen auch seine zahlreichen Artikel, Essays und Rezensionen, meist kirchenmusikalischer Art, die in den letzten 50 Jahren in der in-und ausländischen Fachpresse erschienen sind. Kein Wunder auch, daß er sich in seinen Dichtungen geradezu als Meister des Wortes und der Sprache erweist.

Neben seinen literarischen Arbeiten fand Krieg aber noch immer Zeit und Muße zum Komponieren, was sich hauptsächlich aus seiner langjährigen Tätigkeit als Chordirektor zu St. Paul in Döbling ergab. Ein Großteil dieser Kompositionen galt der Liturgie. Zu seinen weltlichen Werken wie Lieder, Chöre, Opern, schrieb er meist selbst den Text und vereinigt so eine Doppelbegabung, um die ihn jeder beneiden darf. Prominente Komponisten wie Lechthaler, Jaeggi, Tit-tel, Heiller u. a. haben gerne und häufig seine Dichtungen vertont.

Großes Verdienst und Ansehen hat sich Prof. Krieg aber auch als Kirchenmusikreferent im Österreichischen Rundfunk erworben, als er dieses schwierige Amt in der Nachkriegszeit von Joseph Lechthaler übernommen und bis zu seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zielbewußt und gewissenhaft geführt hat. Unser Jubilar ist körperlich und geistig jung geblieben und kann heute mit stolzer Befriedigung auf eine reiche Ernte zurückblicken. — So vielfältig sein bisheriges Lebenswerk auch sein mag, eines läßt sich feststellen: seine profilierte Handschrift entspringt einer ebenso sicher geführten Feder. Auf noch viele gesunde Jahre!

Alfred Bamer

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