Über Monotheismus hinaus?
Vor ein paar Tagen habe ich mir die Bücher-Bestsellerliste von Amazon.de unter der Rubrik Religion genauer angeschaut. Mich hat die Frage interessiert, für welche Bücher sich Menschen entscheiden, wenn sie über Religion lesen wollen. Unter den 20 meist verkauften Büchern tauchen ganze fünf Bücher über Buddhismus auf. Bei den meisten anderen Büchern in den höheren Rangen handelt es sich um Ratgeber, die im Namen der einen oder anderen Religion Mut und Hoffnung machen, Trost spenden oder Gott als Gesprächspartner darstellen.
Vergeblich sucht man nach komplexen theologischen Abhandlungen. Die Menschen suchen in Religionen offensichtlich nach Halt, nach innerer Kraft, nach Spiritualität. Die Religionen der Zukunft scheinen jene zu sein, die sich nicht für die Kontrolle der Menschen interessieren, die keine Macht über sie ausüben wollen; die Zukunft gehört solchen Religionen und Weltanschauungen, die auf den Menschen eingehen, vor allem auf seine inneren Bedürfnisse.
Das Dilemma monotheistischer Religionen heute ist, dass sie eben diese inneren Bedürfnisse des Menschen zumindest aus den Augen verloren haben. Die Menschen erwarten und wollen von Religionen keine juristischen Erkenntnisse, keine Restriktionen, keine Moralpredigten, sie suchen in den Religionen nach innerer Geborgenheit, nach einem Ort, in dem die Seele ein Zuhause findet und sich mit endloser Liebe umarmt fühlt. Das spendet Kraft und Vertrauen.
Auch Theolog(inn)en, die sich wissenschaftlich mit ihren Religionen auseinandersetzen, dürfen die Menschen mit ihren spirituellen Bedürfnissen nicht aus den Augen verlieren, ansonsten besteht die Gefahr, dass Theologien elitär werden und Religionen zum Werkzeug weniger Intellektueller, die meinen zu wissen, was und wie Menschen glauben sollen.
* Der Autor leitet das Zentrum f. Islam. Theologie an der Uni Münster
