#Die Einheit grenzt an ein Wunder#

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Teodoro Petkoff, 78, kämpfte als Guerillero gegen die Diktatur in Venezuela. Mehrere Jahre verbrachte er im Gefängnis. 1996 bis 1999 war er Planungsminister. Seit dem Jahr 2000 leitet er die von ihm gegründete Tageszeitung TalCual.

DIE FURCHE: Anfangs unterstützten Sie die Reformen von Hugo Chávez. Jetzt schreiben Sie gegen Chávez an und sind in der Oppositionsallianz.

Teodoro Petkoff: Die Opposition hat drei Phasen durchlaufen. Am Anfang stützte sie sich auf ihre faktische Machtbasis und verfolgte eine klare Putschstrategie. Drei Putschversuche schlugen fehl. Aber dann entwickelte Chávez immer autokratischere Züge, und die Parteien, die ihn unterstützt hatten, brachen eine nach der anderen mit ihm. Seit 2006 gibt es damit eine lebendige Opposition. Sie ist als Mesa de Unidad organisiert und hat 165 Kandidaten für die 165 Parlamentssitze. Das allein grenzt schon an ein Wunder: dass sich 17 Parteien einigen und gemeinsame Kandidaturen präsentieren.

DIE FURCHE: Trotzdem ist die politische Atmosphäre extrem aufgeheizt.

Petkoff: Die Art und Weise, wie Chávez mit brutalen und obszönen Beschimpfungen um sich wirft, geht davon aus, dass es keine politischen Gegner gibt, sondern nur Feinde. Ein Militär lässt sich auf keine Diskussionen ein. Der Feind wird liquidiert, nicht zu einer Debatte eingeladen.

DIE FURCHE: Das große Thema im Wahlkampf ist die Gewaltkriminalität. Warum konnte Caracas zur gefährlichsten Stadt Südamerikas werden?

Petkoff: Der hohe Grad der sozialen Zersetzung ist ein idealer Nährboden für Gewalt. Dazu kommt die radikalisierende Rhetorik des Präsidenten und die geringe Aufklärungsquote. Nach offiziellen Angaben werden 96 Prozent der Morde nicht bestraft. Die verschiedenen Sicherheitskörper sind korrupt, schlecht bezahlt und schlecht ausgebildet.

DIE FURCHE: Kürzlich wurde ein Foto zensuriert. Im Wahlkampf dürfen keine Bilder mehr über Gewalt veröffentlich werden. Wie frei ist die Presse in Venezuela?

Petkoff: Rein formal gibt es Pressefreiheit, sie ist von der Verfassung garantiert. Aber sie wird beständig von der Regierung bedroht und verfolgt. Hier wurde schon ein Fernsehkanal geschlossen, 34 Radios mussten zusperren, mehrere Dutzend Journalisten werden gerichtlich verfolgt. Das sind Prozesse, die nie enden. Der Verleumdungsparagraf wird auf Journalisten angewendet.

DIE FURCHE: Chávez ist dennoch populär. Offenbar geht es vielen Leuten jetzt besser als in der Zeit vor seiner Regierung.

Petkoff: Auch schlechte Regierungen tun manchmal Gutes. Tatsächlich hat noch keine Regierung vorher so viele Sozialprogramme für die Ärmsten des Landes in Gang gesetzt. Die Armutsbekämpfung wurde zu einem der vorrangigen Themen.

* Das Gespräch führte Ralf Leonhard

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