Kunst als Notwendigkeit

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Starre, verrenkte Leichen übereinander. Vorwärtsstrebende Soldaten. Mit grauenerregenden Gemälden von Albin Egger-Lienz wird man ebenso in die Schau "Trotzdem Kunst!" gezogen, wie durch Zitate bedeutender Zeitgenossen. Im Leopold Museum hat man es sich anlässlich des Gedenkjahres 100 Jahre Ausbruch des Ersten Weltkriegs zur Aufgabe gemacht, aufzuzeigen, wie es Künstlern und dem Kunstbetrieb während ebendiesem ging.

Egger-Lienz, Egon Schiele und Anton Kolig sind die Säulen der Schau, die "ein aufschreiender Appell gegen Krieg und Mord" sein möchte, so Elisabeth Leopold, die gemeinsam mit Ivan Risti´c und Stefan Kutzenberger kuratierte. Sie wollte zeigen, dass auch im Krieg Kunst entstand, teils im Auftrag, teils aus Notwendigkeit. Die Schau präsentiert anhand von 40 Werken aus der Sammlung Leopold, 30 aus der Sammlung Leopold II und zahlreichen Leihgaben, wie sich die Künstler stilistisch und persönlich wandelten und was im Kunstbetrieb damals generell vor sich ging. Werke der drei Hauptkünstler stehen deren Biografie aus den Jahren 1914 bis 1918 sowie Briefen gegenüber. "Es geht darum, dass man den Künstlern über die Schulter schauen kann und versteht, wie sie zu dieser Zeit getickt haben", sagt Kurator Risti´c zur FURCHE.

Nachlassende Kriegsbegeisterung

Während sich Egger-Lienz erst noch freiwillig zum Krieg meldete, ließ seine Kriegsbegeisterung bald nach. "Die Studien zu den 'Kriegsfrauen' gehen fast ins Groteske und zeigen seine Wandlung. Als Mitglied des k.u.k. Kriegspressequartiers diente er der Sache aber loyal", so Risti´c. Schiele blieb, wie man sehen kann, "ein umtriebiger Maler und Organisator von Ausstellungen, auch wenn er schreibt, wie unglücklich er war, dass er herausgerissen wurde. Sein Schicksal während des Ersten Weltkriegs wurde bisher noch nie so thematisiert". Die Front blieb ihm erspart, er diente wegen seiner schönen Schrift als Schreiber. Im Kriegsgefangenenlager porträtierte er Russen, später zeichnete er die k.u.k. Konsumanstalt, für die er arbeitete. Schiele änderte seinen Stil frappant während des Krieges. "Die ausgemergelten Körper sind danach weg, er malt eher voluminöse Körper", so Risti´c. "Er scheint um eine gewisse Harmonie bemüht."

Ein erstaunlicher Exkurs zeigt, wie 1917 eine Ausstellung österreichischer Kunst in Stockholm mit rund 600 Objekten, darunter "Tod und Leben" von Klimt, "Stadt Stein" und "Häuser am Meer" von Schiele und die damals sehr umstrittene "Fortuna" Kokoschkas, ausgerichtete wurde. "Österreich präsentiert sich mitten im Krieg als friedliebende Kulturnation. Man vergisst fast, dass man im Krieg ist. Dies steigert sich bei uns noch in dem in rot gehaltenen Raum, der Werke zeigt, die nichts mit dem Krieg zu tun haben."

Die Ernüchterung folgt durch Arbeiten von Kolig, der angehalten wurde, Landschaften zu malen - ein Thema, mit dem er nichts anfangen konnte -sowie Offiziere zu porträtieren. "Ich leide sehr unter der Kunstblindheit meiner Vorgesetzten", so Kolig. "Es ist spannend zu sehen, wie Künstler, die man heute bewundert, in ihrem Alltag nur arme Bittsteller waren", sagt Risti´c.

Zeitgenössische Arbeiten

Vorbei an Koligs Porträts der Offiziere mit düsteren Mienen kommt man auf einmal in einen lichtdurchfluteten Raum. "Am Ende des Tunnels stehen die Zeitgenossen. Wir haben Künstler aus den Ländern, mit denen Österreich-Ungarn damals im Krieg war, um Werke ersucht", sagt Risti´c. Ein blutverschmiertes Badewannenkreuz steht einer Installation mit einem Lenin-Zitat gegenüber, eine Künstlerin hat Manns "Zauberberg" an die Wand gezeichnet, eine andere ehemalige Kriegsschauplätze heute fotografiert. Und auch in den ersten Raum hat man eine zeitgenössische Arbeit integriert - einen auf den ersten Blick harmlosen Teppich, der sich erst auf den zweiten als große Anzahl kleiner Plastiksoldaten entpuppt.

Die Schau zeigt, wie sehr die drei Hauptkünstler durch den Ersten Weltkrieg verändert wurden. Risti´c: "Während Egger-Lienz sich sehr wandelte und Schiele seinen Stil änderte, ist bei Kolig eher der Zustand des Vakuums erkennbar".

Trotzdem Kunst! Österreich 1914-1918 Leopold Museum, bis 15. September täglich außer Di 10-18, Do bis 21 Uhr www.leopoldmuseum.org

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