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Besuch bei Anton Kolig

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Knapp am Fuße der sagenumwobenen Villachcralpe, ganz nahe dem Ort, wo vor Jahrhunderten ein gewaltiger Bergsturz eine ganze Ortschaft unter sidi begrub, liegt das Dorf Nötsch im Gailtal. Diese Gegend sdieint eine eigene Anziehungskraft für Katastrophen von oben zu haben. An einem sdiönen Frühlingstag des letzten Kriegsjahres fiel ein Bombenteppich gerade auf das arme Nötsch. Unter den zerstörten Häusern befand sidi in erster Linie Franz W i e g e 1 e s Atelier und sein Wohnhaus, das ihn und seine Familie mit sämtlichen . dort befindiidien Bildern auf immer versduittete. Fast ebenso schlimm erging es Wiegeies Schwager, Anton K o 1 i g, der zum Glück lebend geborgen werden konnte. Der Meister geht jetzt noch auf zwei Stöcke gestützt und die Beweglichkeit d-er Beine scheint dauernd beeinträchtigt zu sein. Zum Glück und zu unser aller Freude sind der Kopf und die Arme gesund. Das bezeugen die leuditenden Tafeln rings in der neuen Werkstatt, die der Professor in den wohl-durdiwärmten Sälen einer neuerbauten Hauptschule aufgesdilagen hat. Dort sitzt er inmitten seiner Schöpfungen und erklärt dem Gaste, der trunken ob all der Pracht sich nicht satt sehen kann an den rauschenden Farbensymphonien, Sinn und Gedanken all dieser meist noch unvollendeten Werke. Warum unvollendet* Weil Krankheit, Krieg und Kümmernis nicht befruchtend wirken können auf einen Mann, wie Kolig, der das Leben malen will, als dessen Inbegriff ihm der menschliche Körper in seiner ganzen Schönheit erscheint. Es fehlt an Modellen, es fehlt vor allem aber auch an einer entsprechenden Werkstatt und Wohnung, denn das ist Koligs große Idee, eine Werkstatt mit einem halben Dutzend begabter Schüler zu haben, die er individuell behandeln und ihren Talenten entsprechend ausbilden könnte. Als Gegner der Akademien sdiweben ihm die alten Malerschulen der großen Meister der Renaissance und des Barock vor. Fr fühlt sich selbst als der letzte barocke Maler und durdiaus nicht modern. In der Komposition seiner Bilder, die beim ersten Anblick wirklich, nicht altmodisch wirken, fühlt man es dann heraus und denkt an die großen Wand- und Deckengemälde oberitalienischer Meister, von denen man ja hier bloß durch eine schmale Bergkette getrennt ist. Ganz italienisch, ja geradezu botticellesk wirkt ein leider durch den Luftangriff ziemlich besdiädigtes Bild, welches der Meister „Frühling“ nennt; La Primavera wäre fast noch passender! Es ist das Werk, welches Adolf Hitler persönlich aus „seinem“ Haus der Deutschen Kunst entfernte und das Kolig die dauernde Ungnade des Diktators auch auf dem Gebiete der schönen Künste eintrug. Eine

kleine Tafel entstand unter dem Eindruck von Hitlers Sturz und Österreichs Auferstehung, ein Entwurf wohl wert der Ausführung — oder sollte sich die Kunst doch nicht lieber von jeglicher Politik fernhalten?!

Die schönsten Werke Anton Koligs sind gegenwärtig in Zürich, wo sie im Verein mit anderen erlesenen Stücken österreichischen Kunstschaffens vom Geistesleben der österreichischen Renaissance Zeugenschaft legen. Schade, daß es keine Möglichkeit gibt, durdi entsprechend große Aufträge den einsamen Nötscher Künstler zu neuen großen Werken anzueifern. Die vieiumstrittenen Landhausfresken in Klagenfurt sind nicht mehr. Sdion vor dem Anschluß hatte man sie, nicht sehr verständnisvoll, durch große gelbe Draperien verhängt und nur, wer wußte und wollte, konnte sie sehen. Die Vandalen haben es aber gründlich gemacht, indem sie den Raum aufteilten, die Wände roh durchbrachen und den Rest übertünchten. So ist Jas großartig komponierte Symposion, die gewagte aber dabei doch zu naturnahe Szene im Kornfeld und all die anderen entzückenden Details dieses für Kärnten einmaligen Kunstwerkes für immer verlorengegangen. Verloren sind “offenbar audi eine ganze Reihe anderer Werke, die sich im Privatbesitz befanden und den Wirren der Nachkriegszeit zum Opfer fielen.

Anton Kolig selbst ist aber erhalten geblieben. Er wird Neues schaffen, wenn man ihn läßt!

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