Unterwasser - © Illustrationen: iStock/Grafi ssimo

„Dotterland“ von Karoline Marth: „Ich weiß nicht, wo mein Ich anfängt“

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Maria Renhardt über „Dotterland“, den neuen Roman von Karoline Marth.

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Maria Renhardt über „Dotterland“, den neuen Roman von Karoline Marth.

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In diesem Aufwachsen steckt off enbar gewaltige Irritation: „Wer hatte sie schon? Eine Abenteuerkindheit, wild und laut, aber ohne die nächtliche Einsamkeit und im immer gleichen Kinderzimmer.“ In ihrem Debütroman „Dotterland“ stellt Karoline Marth die ersten Lebensjahre ihrer Protagonistin Kathleen bis zu ihrem Erwachsenwerden ins Zentrum des Geschehens. Der Blick zurück erfolgt chronologisch in einzelnen Abschnitten aus der Erwachsenenperspektive. Die Ich-Erzählerin startet als „erste Tochter und erste Enkeltochter“ ins Leben, bis mit der Geburt des Bruders die Entthronung der Prinzessin erfolgt. Schon früh führt häufi ger Streit der Eltern zum sukzessiven Zerbrechen ihrer Welt. Als Vaterkind zweifelt Kathleen manchmal an der Liebe der Mutter: „Ich weiß, dass alle meine Mama gernhaben, aber ich weiß nicht, ob meine Mama mich gernhat.“

Neben minutiösen Einblicken in das Reich der Puppen-Piraten-Kinderspiele folgt mit dem Tod des Urgroßvaters und der Trennung der Eltern wohl die markanteste Zäsur. In diesen schwierigen Phasen fl üchtet sie im Traum ins Dotterland – weit weg in eine warme, weiche Schutzzone einer „Prinzessinnenwelt“. Schließlich schildert Marth die dichten emotionalen Erfahrungen Kathleens in einer wild ausgelebten Pubertät, in der Freundschaften, Sexualität, Drogen und Alkohol ein breites und schrilles Experimentierfeld darstellen. Unsicherheiten, Minderwertigkeitskomplexe, eine „lila stachelige Angst“ und ein Gefühlschaos bieten den Referenzrahmen für diesen Adoleszenzroman, den auch autobiografi sche Bezüge grundieren, wie Marth auf FM4 bekennt: „Mir hat in meiner Kindheit ein Anker im Leben gefehlt. Es hat lange gebraucht, bis ich mich selbst gefunden habe – und das liegt vor allem daran, wie Erwachsene mit Kindern umgehen.“ In diesem schmalen Roman – er kann vielleicht auch als eine Art retrospektiv erstelltes Logbuch durch die Jugendzeit gelesen werden – kommt dies im Bild von der eigenen Entgrenzung zum Ausdruck: „Ich weiß nicht, wo mein Ich anfängt.“ Aber es gibt auch Hoff nung: „Egal wie lange ich laufe, ich kippe nicht einfach von der Welt.“

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