Wolken 6 und 7 - © Foto: iStock

„Erbgut“ von Bettina Scheiflinger: Mit der Familie beginnen die Probleme

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Anton Thuswaldner über "Erbgut", den neuen Roman von Bettina Scheiflinger.

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Anton Thuswaldner über "Erbgut", den neuen Roman von Bettina Scheiflinger.

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Mit Familien ist das so eine Sache. Sie bilden eine kompakte Einheit, oft zusammengehalten durch Gemeinsamkeit stiftende Aversionen, oft zusammengehalten durch Konflikte, die drohen, sie zersplittern zu lassen. Das Verbindende und das Trennende: Beides sind Kräfte, die über Generationen in den Einzelnen arbeiten, die darüber nicht selten in existenzielle Not geraten. Wie viel Verschwiegenes wird gehütet, worüber die Nachgeborenen, sofern sie zu den Wacheren gehören, zum Grübeln, Zweifeln und Nachforschen kommen. Die Familie, damit beginnen die Probleme, ist eben nicht nur eine geschlossene Größe, sie besteht aus Einzelwesen, die alle nach ihrem eigenen Lebensplan ausgerichtet sind. Schon bekommt das Gefüge Risse.

Wo die einen auf heile Welt machen, um den Preis des Vergessens, streben die anderen nach Durchleuchtung der Familiengeschichte. Ein Familienroman, wie ihn Bettina Scheiflinger mit ihrem Debüt auffasst, ist ein Seitenzweig des großangelegten Projektes des zeithistorischen Romans. Alles, was sich im Innersten der Familie abspielt, hat mit der Außenwelt der Gesellschaft zu tun, die Familien nicht einfach für sich sein lässt. Sie werden integriert oder ausgegrenzt, wie es dem Zeitgeist eben genehm ist.

Scheiflinger splittet die Entwicklung zweier Familien in Episoden, die einander wechselseitig beleuchten. Eine neutrale Erzählinstanz wahrt Abstand und springt abwechselnd in die unterschiedlichen Lebensbereiche. Zwei Familien, zwei Entwürfe, sich durch die Widrigkeiten der Zeit zu lavieren. Am Ende kommt es zur Berührung der beiden Sphären, als die Liebe Verbindung stiftet. Die Erzählstimme wird unterbrochen von einer Ich-Erzählerin. Sie wird am Ende eine Tochter zur Welt bringen, die sich später wohl einklinken muss in eine Familienkonstellation aus unterschiedlichen Milieus. Ein Zweig hat italienische Wurzeln mit Problemen, in der Schweiz ernst genommen zu werden. Für den anderen Zweig wird ein Großvater mit SS-Vergangenheit zur Belastung. Ein Debüt, das sich sehen lassen kann, das will etwas heißen.

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