Wolke - © Foto: iStock

Anna-Maria Stadler: „Maremma“ Die „Denkfigur des guten Lebens“ ist eigentlich lächerlich

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Maria Renhardt über „Maremma“ von Anna-Maria Stadler.

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Maria Renhardt über „Maremma“ von Anna-Maria Stadler.

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Maremma klingt nach Urlaub und Meer. Der Titel dieses Romans bezieht sich auf eine Küstenlandschaft in der südlichen Toskana, wo das Geschehen angesiedelt ist. Dass dem Erstling der Salzburger Autorin und Künstlerin Anna Maria Stadler bereits Aufmerksamkeit zuteilgeworden ist, beweist seine Nominierung für den Debütpreis des Österreichischen Buchpreises.

Schon seit Esther denken kann, verbringt sie mit Freunden in wechselnden Konstellationen einmal im Jahr ein paar Tage am Meer. Für diese Zeit verlassen alle das gewohnte Umfeld, Beziehungen und Arbeit. Ein interessantes Experiment, zumal der Anteil am Leben der anderen, von dem sie ausgeschlossen sind, immer größer wird, weil die „Wirklichkeiten schon zu unterschiedlich sind“. Diesmal sind sie in der Maremma auf einem Campingplatz mit direkter Sicht aufs Meer. Es könnte für sie ein Rückzugsort sein, wenn nicht gerade hier die Fragilität einer immer stärker aus den Fugen geratenen Welt sichtbar werden würde.

Der Plot ist nahezu bedeutungslos. Vielmehr taucht man ein in ein Fluidum von Stimmungen und kritischen Reflexionen, die als leitmotivische Spur Verwundungen und eine ungewisse Zukunft offenbaren. Augenscheinliches Beispiel dafür ist die Fahrt zu den Dörfern im Apennin, die noch vom Erdbeben gezeichnet sind. Fast eine Art „Katastrophen­tourismus“. Die Zerstörung der Orte wird „ästhetisch“ wahrgenommen, „während sie für die Menschen hier die ­Realität ihres Lebens“ verändert hat.

Stadler umkreist Fragen der jungen Generation. Aus­wirkungen der Klimakatastrophe, die Ausbeutung der Natur, Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit – „die Denkfigur des guten Lebens“ sei einfach lächerlich, meint einer. In einer oft elliptischen, aber auch bildreichen Sprache beschreibt Stadler Momente eines Sommers, die der Tiefenschärfung dienen. Die Kritik an alten Lebensentwürfen offenbart zugleich die Erkenntnis, wie leicht man auf dem Weg in die Unbeweglichkeit ist, zumal sich auch schon bei den jungen Erwachsenen „über die Jahre Festgefahrenes und Bequemlichkeiten eingeschlichen haben“. Ein dicht gewebter Text, der zum Nachdenken anregt.

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