Ein wirklich kreativer Kopf

Werbung
Werbung
Werbung

Johann Bernhard Fischer von Erlach feierte seinen 350. Geburtstag - fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Seine Bauten prägen das Stadtbild Salzburgs und Wiens. Dennoch ist der 350. Geburtstag Johann Bernhard Fischer von Erlachs im Mozart-und Rembrandtjahr beinahe untergegangen. Erst seit dem Sommer rückt Fischer von Erlach, neben seinem Rivalen Johann Lucas von Hildebrandt der bedeutendste österreichische Barockarchitekt, ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Salzburg machte den Auftakt - mit einem Symposium Ende Juni, bei dem Fachleute aus ganz Europa über Fischers vielschichtige europäische Beziehungen diskutierten. Einer der Vortragenden, Andreas Kreul, hat jetzt eine neue Monografie über Fischer von Erlach im Pustet Verlag herausgegeben - als wissenschaftlicher Leiter konzipiert er zugleich den theoretischen Überbau für eine Ausstellung des Stadtmuseums Graz, die ab Dezember den innovativen Bildhauer-Architekten würdigen wird.

Grenzüberschreitungen

Im Juli 1656 in Graz geboren, erlernt Fischer von Erlach zunächst von seinem Vater die Bildhauerei. Bald wird ihm die väterliche Werkstatt zu eng und der 15-Jährige geht nach Italien, wo er in Rom in die Werkstatt des für Papst Innozenz XI. tätigen Malers und Architekten Philipp Schor aufgenommen wird. Hier erhält Fischer von Erlach seine architektonische Ausbildung, lernt die Werkstätten der großen Baumeister Carlo Fontana und Gian Lorenzo Bernini kennen und studiert die Baukunst Francesco Borrominis. 1686 kehrt Fischer von Erlach nach Österreich zurück - es folgt ein steiler Aufstieg. Nach ersten eindrucksvollen Bauten wie der Instandsetzung und Ausstattung des Habsburger-Mausoleums in Graz und der Mitarbeit an der Pestsäule am Wiener Graben folgen Großaufträge - darunter bedeutende Sakralbauten wie die Salzburger Dreifaltigkeits-, Kollegien-und Ursulinenkirche, eine Reihe von Altarbauten (Hochaltar der Wallfahrtskirche Mariazell), genauso aber Schloss-und Palaisbauten wie das Winterpalais des Prinzen Eugen (das heutige Finanzministerium), das Palais Lobkowitz in Wien oder das Palais Clam-Gallas in Prag.

Die Faszination, die von Fischer von Erlachs Werk bis heute ausgeht, zeigt sich eindrucksvoll an seinem bedeutendsten Sakralbau, der Wiener Karlskirche (1716-1737). Man kennt wohl kaum einen zweiten Kirchenbau, der derart zeichenhaft-skulptural einen städtebaulichen Akzent zu setzen vermag. Zugleich spiegelt gerade diese Kirche, die Kaiser Karl VI. aufgrund eines Gelübdes zur Abwendung der Pestepidemie errichten ließ, Fischer von Erlachs Kunst der Grenzüberschreitung - seine Bezugnahme auf die Geschichte der Baukunst. Denn Fischer von Erlach war nicht nur ein ungemein kreativer Kopf beim Finden neuer formaler Lösungen, seine Bauten sind eng mit seiner architekturtheoretischen Tätigkeit verbunden. 1721 veröffentlichte er eine aus fünf Büchern bestehende Dokumentation mit Darstellungen zentraler Bauwerke der Vergangenheit unter dem Titel "Entwurf einer historischen Architektur". Das Werk gilt als erste universale Architekturgeschichte - durchaus selbstbewusst stellt Fischer von Erlach im letzten Abschnitt des Werkes seine eigenen Arbeiten vor. Hier findet sich auch der Entwurf für die Karlskirche - in dem der Architekt unterschiedlichste Vorbilder verarbeitete - darunter die Trajansäule und das Pantheon in Rom.

"Wozu ein weiteres ,dickes Buch' über Fischer von Erlach, wo es doch den ,Sedlmayr' gibt", fragt Andreas Kreul Kritik vorwegnehmend im Vorwort seiner neuen Monografie. Zweifelsohne: über Fischer von Erlach ist bereits genug publiziert worden. Neben den Schriften Hans Sedlmayrs, die Marksteine in der Fischer-von-Erlach-Forschung setzten und zugleich den historisch wie politisch mehr als fragwürdigen Begriff "Reichsstil" einführten, erschien in den 1990er Jahren eine Monografie des österreichischen Kunsthistoriker Hellmut Lorenz.

Ambivalenter Eindruck

Eine neue Sicht auf eine historische Größe ist dennoch spannend, allerdings gelingt dies Kreul nur ansatzweise. Sein großformatiges Buch anlässlich des runden Geburtstages hinterlässt einen ambivalenten Eindruck. Dies liegt daran, dass man offensichtlich zuviel mit diesem Jubiläumsbuch wollte. In dem einleitenden Essay "Regie der Relation" versucht Kreul eine innovative Herangehensweise an Fischer von Erlach, indem er den Barockarchitekten in ungewohnte Zusammenhänge stellt. So werden Ferdinand de Saussures sprachwissenschaftliche Thesen in Bezug zur Architektur gesetzt und Fischers von Erlachs Bauten im Kontext der zeitgenössischen Philosophie eines Gottfried Wilhelm Leibniz betrachtet. Den Hauptteil bilden das Verzeichnis der Entwürfe und Werke und das Verzeichnis der heute nicht mehr Fischer von Erlach zuzuschreibenden Werke. Gerade das letzte Kapitel der fraglichen oder abgeschriebenen Werke gehört aus wissenschaftlicher Sicht zu den Highlights dieses Buches \0x2212 genauso wie die mehr als umfangreiche Bibliografie mit über 4000 Titeln. Dass ein wissenschaftliches so ambitioniertes Projekt in einem derart verstaubten Layout präsentiert wird - noch dazu mit Fotos, die meist an herkömmliche Postkarten aus den 1980er Jahren erinnern, trübt den Lesegenuss erheblich. Wenn es um die "Regie der Relation", wie der Titel verkündet, und um die zeitgenössische Sichtweise eines barocken Architekten geht, dann sollte sich dieser Ansatz nicht nur verbal sondern auch visuell vermitteln.

BUCH:

JOHANN BERNHARD FISCHER VON ERLACH

Regie der Relation

Von Andreas Kreul und Johann Bernhard

Anton Pustet Verlag, Salzburg 2006

448 Seiten, geb., e 58,-

AUSSTELLUNG:

JOHANN BERNHARD FISCHER VON ERLACH 1656-2006

Stadtmuseum Graz

Sackstraße 18

8010 Graz

www.stadtmuseum-graz.at

1. 12.2006-15. 4. 2007,

Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung