ganz dicht - © Rainer Messerklinger

Salzwassersprache & poetische Durchmessungen

19451960198020002020

„ganz dicht“ stellt jeweils vor einem Dicht-Fest in der Alten Schmiede Lyrik vor.

19451960198020002020

„ganz dicht“ stellt jeweils vor einem Dicht-Fest in der Alten Schmiede Lyrik vor.

Werbung
Werbung
Werbung

„wenn sich zwei schiffe im wasser, wenn sich zwei fische im wasser, wenn sich zwei begegnen, die immer schon da waren, sich nähern, stören sie den strom.“ Mit dieser strukturierenden und rhythmisierenden Anapher beginnt der erste Satz des Gedichtes „problemkreis“ in Greta Maria Pichlers Manuskript „Salzwasser“. 16 Texte, durchgehend in Kleinbuchstaben, rauschen im Flattersatz als eine Prosa an das Auge der Leserinnen und Leser heran. Es sind Satzstrukturen mit klassischen Interpunktionen erkennbar. Und doch mischen sich lyrische, mikrokompositorische Elemente dazu, die anregen, diese Texte Gedichte zu nennen. Die Bewusstheit der Materialität von Wasser in Verbindung mit dem Material Sprache wird poetisch zelebriert und lässt ein-, ab- und auftauchen. Lautliche Anordnungen, Alliterationen, Anlaut- und Binnenreime, Rhythmus, grammatikalisches Brechen wie motivische Parallelführungen ermöglichen es, die Sprache als flüssiges Element zu erleben.

Da werden Tränenflüssigkeiten und Körpersensationen mit den Phänomenen von Meer und Wetter durchmischt: „hast du ohne vorwarnung schleim mit luft zu schaum geschlagen? und jetzt frischt es auf, der husten auch.“ Manche Stellen sind mit akzentuiertem Sprechgestus aufgeladen, der imstande ist, unmittelbar in die Gegenwärtigkeit des Textes hineinzuziehen: „heiser stapfen, mit tritten an, mitten rein. du hechelst, oder?“ und an einer anderen Stelle: „merke: ein loskommen ist nach einem zu dicht herankommen nicht mehr möglich.“

zu dicht herankommen nicht mehr möglich.“ „Lege mir Gedichte zurecht./Manchmal wie Licht.“, heißt es im neuen Gedichtband „Nachumahmungen“ von Timo Brandt. Der Titel lässt die Wörter „Umarmungen“ und „nachahmen“ mitassoziieren. Letzteres stammt von mhd. „āme“ „Maß“ und „āmen“ „(ein Faß) durchmessen“ ab.

70 Gedichte sind in vier Kapiteln versammelt, das letzte heißt „Nach dem Ahmen“, besteht aus nur drei Gedichten und suggeriert einen Zeitpunkt danach. Die Gedichte wechseln rasch zwischen Konkretion und Abstraktion, zwischen Nähe und Ferne, zwischen Nah- und Entferntsein. Es sind Liebesgedichte, Weltwahrnehmungen, Ahnungen, Umarmungen, poetische Reflexionen, sprachliche Annäherungsbewegungen, häufig zweifelnd mit Sehnsucht, Ironie und vielen Fragezeichen. Oft auch Betrachtungen, die durch eine Umkehr der Bezüglichkeit ein anderes Sehen ermöglichen, da heißt es beispielsweise „Häuser bekommen/ihre Menschen zurück“.

Immer wieder Alltagsszenen, die Rahmen für poetische Augenblicke darstellen, aufblitzende Binnenreime und Alliterationen wie zum Beispiel: „… also liebten wir uns/neben einem großen goldenen/Gong und dem Rauch aus zwei/ungeschriebenen Worten ….“. Beziehungs- und Bezugsmöglichkeiten eines „Ich“ zu sich selbst, zu einem „Du“, zum Sein an sich, wie zum Schreiben, zu Gedichten, Büchern, und zum Erinnern stehen auf dem Prüfstand: „Ich gehe aus/den Stunden in eine weitere/und das Verlassene schläft in mir.“ Im Gedicht mit dem Titel „Im Spiegel“ heißt es: „Ich frage mich ob ich unwissend/nicht ein besserer Leser war“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung