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HO TSCHI MINH / GEPLANTER EINFALL

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In Paris, im sonnigen Juni 1946, geschah es. Großer Staatsakt, Ehrenkompanien, Trommelwirbel, viel buntes Tuch und an der Seite des Präsidenten ein kleines Männchen mit knochigem Gesicht und kargem Ziegenbart: Ho Tschi-Minh wird als Befreier Indochinas vom japanischen Joch gefeiert. Er aber mimt trotz der Orden, Küsse und Umarmungen den unbekannten Asiaten, tritt mönchisch bescheiden auf, nippt am Tee und knabbert trockenen Reis. Den Journalisten gibt er wenig zu schreiben. „Meine Vergangenheit will nichts besagen, nur die Zukunft zählt“ stößt er in fließendem Französisch zwischen den gelben Zähnen hervor. Der emsige Schüler Lenins hat sich die alte Regel: zwei Schritte vor, einen zurück, zu eigen gemacht. In diesem Pariser Sommer glaubte niemand, daß er Frankreich einige Jahre später in eine sehr schwere Krise stürzen und jetzt in Laos einfallen würde. Ho hatte alles geplant.

Aus früheren Jahren kannte Ho Paris recht gut, nur ihn beachtete damals niemand. Die Seinestadt war einmal Wendepunkt seines Lebens gewesen, das am 15. Juli 1890 in Nord-Annam begonnen hatte. Damals waren die Europäer, wenn nicht schon Götter, so doch Viertel- und Halbgötter in Asien gewesen. Sie hielten sich zumindest dafür und niemand machte es ihnen streitig. Man kann das in einem Bestseller der Jahrhundertwende nachlesen: „Briefe, die ihn nicht erreichten.“ Das Buch war in jeder Hausbibliothek zu finden, seine Lektüre gehörte zum guten Ton. Hos Vater, kaiserlicher Beamter, vermittelte dem Sohn eine gründliche Schulung im Geiste Konfuzius, vererbte ihm aber gleichzeitig intensiven Franzosenhaß. Um sich vor der politischen Polizei zu retten, landet Ho nach einem salzwasserreichen Debüt auf den sieben Meeren schließlich in des Löwen Höhle, in Paris. Schon zwei Jahre vor dem Sarajewoer

Fürstenmord nutzte der Gärtnergehilfe und Treppenputzer jede freie Minute zum Sprach- und Marx-Studium. In jenen Jahren war man stolz darauf, daß die intelligente Jugend des Kolonialreiches Frankreichs Geist und Kultur aufsog, glaubte man doch, sie so am besten an sich zu fesseln. Ho gehörte indes zu den Gründungsmitgliedern der französischen KP.

Er verschwand etwa um 1919 plötzlich aus Frankreich, ist im Moskauer „Lenin-Institut“ feststellbar, macht dann 1930 in Indochina seine Elevenprüfung als Berufsrevolutionär. Sie mißlang, der Aufstand wurde von den , Franzosen niedergeschlagen, Ho in effigie gehenkt. 1941 wird er Widerstandskämpfer gegen die Japaner, wobei er insgeheim auch die Franzosen meint. Nach Japans Kapitulation rief er die Republik Vietnam aus. Ein französisches Expeditionskorps rückte in den Süden des Landes ein, während sich Ho im Norden durch Tschiangkaischeks Hilfe behaupten konnte. Georges Bidault erreichte, daß Tschiangkaischeks Truppen abzogen. Ho war damit der Hauptstütze beraubt. Da aber erwachte in ihm der geschulte Dialektiker. Er suggerierte den Franzosen das damals neue Wort von der „Koexistenz“ Der Erfolg war ... siehe Anfang.

1951 wurde dann die Fahne endgültig nach dem Peking Maos gewendet, das ihm Waffen liefert und von dem er abhängig ist. Der asketische Berufsrevolutionär Ho Tschi- Minh (was „Lichtbringer“ heißt) träumt von einem einigen Indochina. Natürlich kann das Licht nur rot sein.

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