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Klinische Studie

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Es wird sicherlich nicht jedermanns Sache sein, das langsame, unaufhaltsame Zerbrechen einer Seele — minutiös, fast kühl geschildert — zu verfolgen. Der englische Schwarzweißfilm des polnischen Regisseurs Roman Polanski, „Ekel“, zeigt uns eine junge Frau, Kosmetikerin von Beruf, die sich immer mehr und mehr in ein Gefühl des Ekels und der Abscheu gegen ihre Umwelt hineinsteigert, bis sie zur Mörderin wird. Sie tötet zwei Männer, die ihr zu nahe kommen, aber die tieferen Gründe ihrer Krankhaftigkeit werden nicht erläutert. Es ist ein beklemmender Film, wie jede Begegnung mit seelisch Krankem Beklemmung verursacht. Die blonde Catherine Deneuve spielt diese sich auflösende Persönlichkeit mit einer geradezu selbstverleugnenden Verhaltenheit'. Das Immer-dumpferund dunkler-Werden ihrer Seele wird beängstigend transparent. Polanski versteht e9 auch, die Umwelt und Wirklichkeit der kranken Carol mit deren gestörten Bewußtseinsvermögen zu schildern. Dennoch stellt sich die Frage, warum ausgerechnet das Kranke, Morbide, Abseitige so überaus große Bevorzugung im Film genießt. Bei aller Problematik unserer Zeit und ihrer Menschen scheint uns das Gräßliche doch noch nicht so allgemein verbreitet, wie uns der Film immer wieder zu suggerieren versucht.

Ein weiterer englischer Film mit dem kitschigen Titel „Irrwege der Leidenschaft“ schildert das schmerzliche Erleben einer ungebärdigen Sechzehnjährigen an der Grenze zwischen Kind und Frau. Die jugendliche Wildheit von Patricia Gozzi ist in dieser Rolle sehr eindrucksvoll. Noch vermag sie in ihrer kindlichen Isolation nicht die richtige Beziehung zu ihrer Umwelt zu finden, doch der jähe Tod des Geliebten reißt sie hart in die tatsächliche Gegebenheit des Lebens. Leider muß sich dieses unerhört begabte Mädchen auch mit gekünstelten Effektszenen abplagen, die einfach nicht gelingen können.

Deutschland drehte mit jugoslawischer Partnerschaft einen recht ordentlichen Wildwester mit dem alten, von Marek Hlasko abgewandelten „Kain-und-Abel“-Motiv. Dieses „Duell vor Sonnenuntergang“ kommt amerikanischen Vorbildern schon recht nahe, besitzt Spannung und Dramatik und beachtliche darstellerische Qualitäten.

Erfreuliches, Erheiterndes wurde wenig geboten, und vielleicht rettet sich mancher Filmfreund in den Fred-Astaire-Ginger-Rogers- Zyklus, der im Dezember vom Wiener Film-Club im Palais Palffy veranstaltet wird, oder in die Albertina, in der das „Österreichische Filmmuseum“ zu den köstlichen Anfängen des Filmmusicals der dreißiger Jahre zurückführt.

• Im ersten Halbjahr 1965 wurden von 221 in Wien erstaufgeführten, abendfüllenden Filmen vom Filmbet-rot des Magistrats der Stadt Wien 53 für Jugendliche freigegeben, davon 22 uneingeschränkt; vom Filmbeirat des Bundesministeriums für Unterricht 76, darunter 25 unbeschränkt.

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