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Es gibt höhere Wahrheit als die der nackten Fakten

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Alfredo Bauer kennt nicht nur Werk und Leben Stefan Zweigs genau, er macht sich an diese „Biographie“ - zum Ärgernis mancher Germanisten - mit der eigenen, verwandten Seins- und Exiierfahrung heran.

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Alfredo Bauer kennt nicht nur Werk und Leben Stefan Zweigs genau, er macht sich an diese „Biographie“ - zum Ärgernis mancher Germanisten - mit der eigenen, verwandten Seins- und Exiierfahrung heran.

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Alfredo Bauer wurde 1924 in Wien in eine jüdische Familie, die der Sozialdemokratie nahestand, geboren. Nach dem „Anschluß“ wurde die Familie rassisch verfolgt, 1939 gelang die Flucht nach Argentinien, wo Alfredo Bauer maturierte und dann Medizin studierte. Er wurde Mitglied der kommunistischen Partei Argentiniens, sowie Arzt und Au

tor, der seine Bücher auf deutsch und spanisch schreibt.

In diesem Buch hat der Leser das Gefühl, eine Biographie zu lesen. Und wenn mit Stefan Zweigs Leben und Werk vertraute Germanisten immer wieder „Ungenauigkeiten“ feststellen möchten, dann können sie das. Nur zeigen sie dann auch ihre eigene Unfähigkeit, sich über die Grenzen ihrer Wissenschaft zu begeben, ja Literatur lesend zu genießen. Es

gibt eine höhere Wahrheit und die macht Alfredo Bauers Stefan- Zweig-Roman zu einem schönen und wichtigen Buch.

Der Roman beginnt etwa, da Stefan Zweig Salzburg und Friederike verlassen hat und seine eigentliche Existenz im Exil be-

S’nnt. Das Buch schildert dann in sen Bildern jene letzten Lebensjahre Zweigs bis hin zu seinem Selbstmord in Brasihen im Jahre 1942. Es ist eine schöne Verbindung von Psychogramm und Kultur- und Weltbild.

Wie es einer Prosa von so breitem Zuschnitt nur entspricht, sind es nicht immer die einzelnen Sätze und Wortbildungen, die uns durch ihre Originalität oder Kostbarkeit überraschen. Der große Atem ist es vielmehr, der hier die Atmosphäre schafft.

Davor verblaßt das gelegentliche Gefühl, daß die deutsche Fassung, rein stilistisch besehen, etwas zu hastig entstanden sein könnte, und der — freilich berechtigte — Ärger über das Lektorat: vor allem in den häufigen Fremd- sprachen-Passagen wimmelt es von unnötigen Fehlem.

Besonderes Leben erhält der Roman dadurch, daß die Handlung nicht nur auf Stefan Zweig beschränkt, sondern das private sowie kulturelle und geographische Umfeld des Unglücklichen bildhaft gestaltet wird. So entsteht, inspiriert durch Zweigs Autobiographie „Die Welt von Gestern“ ein Werk der Dichtung. Möge das Buch ein verdientes Echo fmden!

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