In der - 1996 zugegeben lauwarmen - Hitze der Wahlkampfreden, die der amerikanischen Präsidentenwahl am 5. November vorangingen, lobte der seines zweiten Sieges sichere Rill Clinton die USA unter anderem einmal dafür, daß sie die Demokratie erfunden hätten. Ein Versprecher vielleicht, er hatte wohl „re-in-vented“ sagen wollen, keiner hörte hin, keinem fiel es auf, es wird vielerlei gesagt vor einer Wahl, und außerdem kennen die Amerikaner im besten Falle ohnedies nur ihre eigene Geschichte; obwohl selbst der häusliche Irrglaube,, demzufolge Gott die Welt im Jahre 1776 geschaffen
Schon wollte ich den Sommer verloren geben, als mich der geliebte Dichter zum Lunch einlud. Nichts an seinen Worten und in seinem Verhalten erinnerte mich an die Sätze, die ich von ihm und über ihn jemals gelesen hatte. Der bewunderte Dichter und mein Gastgeber waren, so schien es, zwei verschiedene Wesen, und ich dankte es dem mir gegenüber Sitzenden, daß er beide auseinander hielt und nur in seinem Namen vereinte. Von dieser Erfahrung des Zweifach-Einen zum Begreifen letzter Dinge war es dann vielleicht nur noch ein Schritt.Ich genoß das unerwartete Glück, den Julitag, den schattigen
”Die Amerikaner halten im Wortsinne, nicht im ideellen Sinne, an ihrer Verfassung fest, so wie die Bibelfundamentalisten ihre Bibel nicht interpretieren, sondern leben wollen. Wir mokieren uns über die Brutalität des Mittelalters. Doch die Forderung eines amerikanischen Show-Masters nach einer Live-Übertragung einer Hinrichtung wird ernsthaft diskutiert.
Alfredo Bauer kennt nicht nur Werk und Leben Stefan Zweigs genau, er macht sich an diese „Biographie“ - zum Ärgernis mancher Germanisten - mit der eigenen, verwandten Seins- und Exiierfahrung heran.
Meine Uhr war am Vortag stehengeblieben und hatte mich in ein privates Chaos gestürzt, das sich rasch zum allgemeinen Chaos ausweitete. Ich habe mir ein Leben ohne Uhr ein Leben lang nicht vorstellen können, wie überhaupt alle Gegenstände, auf die ich mich verlasse, funktionieren müssen. Ein kaputter Wagen, ein kaputtes Radio, ein kaputter Fernseher, eine kaputte Uhr - das sind Tragödien, vor denen die der Alten zunichte werden. Was war Trojas Brand und des Ödipus Blendung und Kly-tämnestras Gattenmord gegenüber meiner Uhr mit den toten Zeigern? Verwesungsgeruch stieg aus dem
Jetzt, wo alle Welt van Gogh nicht nur kennt, sondern auch liebt, weil nicht nur die Kunst-, sondern auch die Börsenblätter von ihm berichten, jetzt, wo sein Werk zu tollen Exzessen ausholt, die unsereinen traurigunddiemeisten freudigstimmen, geradejetzt muß der-hundertste Todestag des unglückseligen Ma.,. lers fallen. Die Millionen, die sich die größte $ammelschau seines Lebenswerkes nicht entgehen las-sen, wissen in der Folge nicht mehr, ob sie zu Vincent van Gogh oder zum Medienspektakel oder zu sich selberpilgern. Das letztere mag auch dem Ernsthaftesten schwer fallen, bei den
Haben Sie schon einmal den Kurs einer Düsenverkehrsmaschine im Fluge abgei;h'leert, ohne dabei einen Akt sogena????n..ter Flugzeugentführung oder Lu\tpiraterie zu begehen? Habe- cher den von Ihnen gewünschte!)., ursprünglich im Flugplan ????iCht vorgesehenen Flughafen erreicht und die Maschine verlassen, .' _ly.te,, ????n Handschellen abgeführt oder von Gewehrschüssen durchlö????hert oder von einer Granate zerrissen zu werden? Falls Sie die$???? (r????genbejahen können, frager{ Siele sih: Sind Sie auch nicht der Präsident oder Eigentümer einer Flpggesellschaft, oder ein
Warum, fragte der Alte, ohne die Frage eigentlich an mich zu richten, die musikalische Welt es gerade den großen Sängern und Sängerinnen gestatte, mit ihren Körpern den liederlichsten Umgang zu pflegen, das hätte er doch einmal gern gewußt. Warum dürften Tenö- re zu Mülltonnen wuchern, warum Sopranistinnen zu Weinfässern werden? Glaube das Publikum viel- leicht, die Sängerkörper seien Re- sonanzkästen und brauchten ein großes Volumen zum besseren Klang? Wie vollkommen dagegen die Violine sei! Oder die Callas, Gott habe sie selig!Und sei die Perfektion ihres Tons nicht in ihrer
Mein Freund hat sich Zeit genommen und mich nach Chartres gefahren, der Gute, der meine Wünsche stets erst nimmt, auch wenn er sie nicht versteht. Schon die Fahrt ist eine Freude, es geht durch einen grauen, aber milden Wintertag. Wir haben die Autobahn vermieden, wir sehen schnurgerade Alleen und dahinter die Nebelbänke, die uns nie zu nahe kommen.Aber als wir fast am Ziel sind, bricht die Sonne durch. Da tauchen hinter den Brachfeldern die Türme auf, sind einander gleich auf den ersten Blick, aber unterscheiden sich dann sehr bald. Der echte, - ich meine: der alte, - muß wohl der
Nur einmal, für die Dauer eines Wochenendes, hatte ich die Stille kennengelernt. Ich war bei einem Freund zu Gast gewesen, dessen Familie im hintersten Hinterland ein Schloß bewohnte. Man hatte mich im Park empfangen und mir dann ein Zimmer im entferntesten Flügel jenes Schlosses zugeteilt, wo ich bei offenem Fenster einen Nachmittag auf dem Bett gelegen war, angekleidet, mit dem sonnenbestrahlten Wiesenhang vor Augen, und rings um mich stand und hing das älteste, rätselhafte Zeug.Da gab es Herzkapseln, gefüllte Urnen, Richtschwerter aus fernen Jahrhunderten auf den Kommoden, auf den
Wandel und Dauer der Literatur in einer sich rasch entwickelnden Gesellschaft: so könnte man das englische Originalmotto dieses 52. Internationalen PEN-Kongresses in Seoul übersetzen. Das Thema scheint mir um eine Spur zu harmlos in den Raum gestellt. Sollte sich dahinter eine Fußangel oder gar eine Falle verbergen? Würde es nicht um ein Vielfaches brisanter werden, wenn es als Fragestellung daherkäme? Wenn es nicht um „Wandel und Dauer“ ginge, sondern wenn wir uns entscheiden müßten zwischen „Wandel oder Dauer“? Ich jedenfalls höre das Motto im Ton einer Frage.„Wandel oder
Als Poet zu Gast bei Olympischen Spielen: Ja, genauso festlich und ein wenig anachronistisch, wie es im Titel der Veranstaltung anklingt, wollten die Gastgeber es haben. Autoren aus aller Welt weilten als Gäste des Olympischen Komitees und der Stadt Calgary im westlichen Kanada an der Stätte der XV. Olympischen Winterspiele. Erstmals wieder seit 1948 wurden, nach antikem Vorbild, auch die Literaten zur Feier eingeladen, allerdings nicht, um Ehren und Medaillen zu erwerben. Nicht einmal Lorbeerzweige gab es in der Stadt, wo während des fünftägigen Festivals ununterbrochen Temperaturen
Durch alle Zeitalter, durch alle Kulturen leuchtet der Begriff des Glücks. Auf griechischen Stelen, in römischen Palästen, unter fernöstlichen Funden, im Herrenmagazin „Playboy“, überall wird felicitas, bonheur, happi-ness, wird das Glück dekliniert und aufgeblasen zum Inbegriff des angeblich Menschenmöglichen. Sein Leuchten jedoch ist ungenau; die Botschaft erreicht uns auf Krücken.Wenn wir etwa zu den Tonnengewölben des Diokletian-Palastes hochblicken, erstaunt über den sicheren Halt von brüchigem Stein, erkennen wir, daß die Antennen in uns verstört sind, und daß kaum zu
Schulz, der Kaufmann, den alle Phönix nannten, hatte sich längst mit seinem Spitznamen abgefunden, fast gefiel er ihm. Als Kleinkind war er lebend aus einem brennenden Haus gerettet worden, in dem sonst nur noch Leichen lagen. Seither blieb ihm der Name: Phönix. Die Silben hafteten und verdrängten auf natürliche Weise seinen wirklichen, gewöhnlichen Namen.Der Knabe galt als ein besonderes Kind, obwohl es ihn jahrelang quälte, wenn die Leute ohne Anlaß und Ubergang stets vom Wunder seiner Rettung sprachen. Auch war ihm der Sinn dieses Spitznamens lange nicht bewußt. Erst viel später,
Die Schule besteht aus langen Gängen, deren Anordnung und Verlauf kein Schüler verstehen kann. Diese Gänge sind verwirrender als die Welt, ihre Ordnung ist komplizierter als das ganze in der Schule zu erwerbende Wissen. Diese Schule quillt über von breiten und langen, geraden und gewundenen Gängen. Obwohl wir in einer Schule sind, sieht man in diesen Gängen nie Menschen, vor allem niemals ein Kind. Es gibt keine Kinder in diesen Gängen, es gibt keine Lehrer, es gibt nichts als versperrte Türen.Ich gehe, allein, durch den langen Gang. Vor mir, neben mir, hinter mir gibt es keine Kinder,
Eigentlich ist es ein kleiner Garten. Mir aber werden alle Gärten groß. Eigentlich ist es ein kleines Haus. Mir aber sind alle Häuser unermeßlich. Ich schließe das Tor zum Garten auf. Es ist ein verwilderter Garten. Tote Blumen, tote Vögel, streunende Katzen. Ich trete mit Widerwillen ein. Vogelgerippe, an denen Fleisch hängt. Mühsam erreiche ich dieandere Seite des Gartens, den Bach, der die Grenze bildet. Hier gibt es auch keinen Zaun. Mit jedem Meter, der mich dem Wasser näher bringt, werden die Pflanzen schwerer und saftiger. Die Feuchtigkeit schwemmt das Unkraut auf.Bald wird es
Einen schreibenden Zeitgenossen aufzufordern, sich über alles das zu äußern, was ihn beunruhigt, ängstigt, irritiert, heißt natürlich, ihn in Versuchung zu führen. Der Themenkreis darf breit geraten: Politik, Kultur, Umweltfragen, menschliche Anliegen...Der solcherart Geladene könnte jetzt feststellen, daß er im Grunde keine Probleme kennt, das wäre Defaitismus, oder er wird, einigermaßen naiv, eine Liste anfertigen. Die könnte so aussehen:IDie wachsende Unbildung • allenthalben. Wer hätte nicht bemerkt, daß wir mit der Mehrheit der Menschen gar nicht mehr reden können. Sie
IDen Strand auf und nieder, • Meilen und Meilen, nicht müde und müde, ohne ein Wort. Hier verliert sich bald jede Richtung, der Ozean hält seine Namen nicht fest. Keiner vertraut hier auf Worte. Wir haben den Kompaß lang nicht geprüft, seine Nadel zu lesen verlernt, und wir haben die Karten verlegt. Wir durchschlafen die Nacht und schmähen die Sterne mit unserer Blindheit.Wir sind eine Zahl, wir sind nicht allein, aber das Wir bekleidet uns nicht. Es gähnt keine Brücke von Auge zu Auge, es rauscht kein Verstehen, die Mün-der sind Sand. Muscheln sind wir, zurückgelassen, die Wellen,
Wenn ich im Flugzeug nach Amerika unterwegs bin, empfinde ich jedesmal überraschende Ungeduld, endlich drüben anzukommen. Diese Unruhe bestürzt mich immer aufs Neue, denn inzwischen müßte ich wissen, was mich in Amerika erwartet. Ich schulde meiner Erfahrung mit dem Bestimmungsland Amerika, während des Fluges gelassen zu sein. Ich bin jedoch unruhig, freudig erregt, und zu dieser Erregung stößt die Empfindung einer fast körperlich fühlbaren Befreiung, als wäre ich durch das Besteigen des Flugzeuges etwas losgeworden, das mich lange belastet und gequält hat, obwohl
Einem, der, sagen wir, in der Bretagne geboren wurde, der an einer Küste aufwuchs, deren Sonne über dem Ozean untergeht, einem solchen Menschen wird die Umkehrung seines Lebens, Sonnenaufgang über dem Meer, immer unheimlich sein. Bricht der Morgen aus dem Atlantik heraus, bezeichnender amerikanischer Morgen, wird so ein Mensch von der Brandung beiseite geschoben. Im neuen, niemals vertrauten Land, quält sich nur Nacht aus der eigenen Herkunft herüber, hat Europa den Schlaf und die Ruhe voraus, aber niemals den Morgen, was logisch sein sollte, weil diesen Morgen ein Mensch, der aus der
Es bleibt letztlich ohne Bedeutung, ob man von dem in Salzburg lebenden (und in Lauften bei Bad Ischl 1916 geborenen) Lyriker Josef Hofmann nur einige Gedichte oder das gesamte, bisher unveröffentlichte Werk kennt: Der Eindruck muß derselbe sein, weil uns in Josef Hofmann eine der geschlossensten dichterischen Erscheinungen der österreichischen Gegenwartsliteratur gegenübertritt. Jedes seiner Gedichte aber wird beim Lesen den Wunsch erwecken, das Gesamtwerk zu lesen. Bisher sind es vier Bände: „Signum Animae“, Weilburg-Verlag, Baden, 1969, „Gedichte“, Winter-Verlag, Salzburg,