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Orwell in Spanien

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MEIN KATALONIEN. Von George O r w e I I. Hütten & Loening Verlag, München. Seiten. Preis 19.80 DM.

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MEIN KATALONIEN. Von George O r w e I I. Hütten & Loening Verlag, München. Seiten. Preis 19.80 DM.

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Ist der Mann, der darauf brennt, „einen Faschisten zu töten“, identisch mit dem Verfasser der abgeklärten politischen Satire „Die Farm der Tiere“? Ist der Autor, der in zarten Färbenden spanischen Frühling zu beschreiben vermag, derselbe Orwell, der die düstere Zukunftsvision von „1984“ an den politischen Horizont gebannt hat? Ja und nein. Es ist der junge George Orwell (eigentlich hieß er Eric Blair), der uns in dem vorliegenden Buch, das spät, sehr spät, in deutscher Übersetzung zu uns kommt, begegnet. Ein junger Engländer, den das verführerische Ideal der Gleichheit in das Spanien des ersten Bürgerkriegsjahres gelockt hat. Bald vertauschte er dort den Bleistift des Reporters mit dem Gewehr des Milizionärs. Er will seinen aktiven Beitrag dazu leisten, wo alles das anscheinend Wirklichkeit wird, was der revolutionär gesinnte Teil der englischen Jugend an heimatlichen Kaminen einmal kaum nur zu träumen gewagt hatte. Doch die Illusion ist kurz. Orwell hatte sich nämlich für die „falsche Richtung“ entschieden. Seinen radikalen Ideen entsprachen die P. O. U. M.-Mili- zen, jene Kampfverbände einer kleinen linksradikalen marxistischen Splittergruppe, die sehr bald in den Geruch des Trotzkismus kam. Und das konnte in den Jahren der großen Säuberungen tödlich sein. In ihren Reihen steht Orwell an der katalonischen Front, erleidet Verwundung und bald darauf Verfolgung durch die sozialistisch-kommunistischen Regierungsorgane. Das Abenteuer geht dank eines hilfsbereiten englischen Generalkonsuls für den Verfasser gut aus, der, nachdem er spanische Gefängnisse kennengelernt hat, sich ein Lob auf die Haftanstalten seines sonst oft geschmähten Heimatlandes nicht versagt.

Das Buch hat wegen der Ehrlichkeit seiner Aussage und wegen der Abrechnung mit dem Kommunismus freundliche Rezensionen bekommen. Die Ehrlichkeit des 1950 verstorbenen Verfassers sei nicht in Zweifel gestellt. Sein „Antikommunismus“ aber gehört etwas genauer unter die Lupe genommen. Orwells KP-Kritik erfolgt nämlich von links. Er wirft dem Kommunismus in Spanien nicht ein Zuiviel, sondern ein Zuwenig an Revolution und Gewalt vor. In Orwells Sicht wurde die Entwicklung im republikanischen Spanien nicht — wie wir es sonst zu lesen gewohnt sind — durch die KP radikalisiert, sondern domestiziert. Statt Overalls kamen wieder Krawatten in Mode und an Stelle der wilden Milizen wurde eine neue Armee organisiert und das schrecklichste von allem, sogar einige Kirchen wurden wieder für die Gläubigen geöffnet

Der Verfasser zeigt sich hier als ein Radikalinski der Linken, nicht unähnlich jenem Spiegelbild auf der Rechten: dem ewig unruhigen Landsknecht nach dem ersten Weltkrieg. Beide Angehörige jener „verlorenen Generation“, die sich mit der Waffe in der Hand begegnete und bis aufs Messer befehdete, nicht weil ihre Vertreter so verschieden, nein, weil sie sich im letzten so ähnlich waren.

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