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„Turandot“ auf Platten

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Nach Beendigung seines Triptychons wurde Puccini, auf der Suche nach einem neuen Opernstoff, von der Gestalt der Turandot fasziniert. Von 1920 bis zu seinem . Tod war Puccini mit diesem Werk beschäftigt, dessen Verwirklichung neue Kräfte des Meisters ins Spiel brachte. Exotik und Erotik hatte es auch in seinen früheren Werken gegeben. Hier, mit .„Turandot“, tat er den Schritt von der Solisten- zur Choroper, zur breitangelegten Staatstragödie. In der Gesamtauffassung und im Kolorit begnügte sich Puccini keineswegs mit dem Stil einer „Märchenoper" in exotischem Milieu. Puccini, ganz MuSiL'er des Diesseits, Lyriker und Realist, rührt hier zum ersten und letzten Mal an die Sphäre des Magischen und Dämonischen. Seine Klangpalette erhält neue, grellere Farben, seine Melodik, in einigen Arien, eine fast schon schmerzhafte Intensität und Durchschlagskraft. Für die vorliegende Aufnahme unter der souveränen und stets maßvollen Leitung von Tullio Serafin stand ein Ensemble hervorragender italienischer Solisten zur Verfügung, an der Spitze die Callas, deren etwas harte, zuweilen schrille und „unbeseelte" Stimme für diese Partie geeignet ist wie für keine andere. Der Tenor Eugenio Fer- nandis (Kalaf) hat nicht nur das nötige Volumen, sondern auch den Schmelz der Jugend. Alle übrigen Mitwirkenden erweisen sich ’als Meister des bei canto, mit Ausnahme von Giuseppe Nessi (als Kaiser von Latourn), mit dessen völlig aus dem Rahmen fallender fistelnder und näselnder Stimme man offenbar einen grotesken Zug in das Ensemble bringen wollte. Elisabeth Schwarzkopf, die einzige Nichtitalienerin, hält wohl das allerhöchste Niveau ihrer romanischen Kollegen, aber der Stimmcharakter differiert und der Ausdruck wirkt zuweilen etwas nervös,

vielleicht auch infolge ihres in letzter Zeit häufig bemerkbaren Parlandos. Der vielbeschäftigte Chor ist reich schattiert und klangvoll, desgleichen das Orchester, dessen Dynamik gut ausgesteuert ist. Bekanntlich hat Puccini die Partitur der „Turandot“ nicht mehr vollenden können. Den Schluß des Werkes vollendete nach vorliegenden Skizzen Franco Alfano, angeblich auf Wunsch Puccinis. Deutlicher als bei einer szenischen Aufführung wird beim wiederholten Abhören der Platte der Stilbruch be-

merkbar. Niemand wird dem erfahrenen Opernkomponisten und Verehrer Puccinis Pietät absprechen. Aber da gibt es Fanfaren und harmonische Wendungen, deren Banalität unüberhörbar, ist. Man mag zu Puccini stehen wie man will: aber seine Handschrift ist von großartiger Einheitlichkeit, und harmonischen Gemeinplätzen wich er mit geradezu allergischer Empfindlichkeit aus. Bei Alfano klingt es dagegen manchmal nach Strauss und Korngold. Hier könnten einmal von einem feinfühligen Musiker

— der kein bedeutender Komponist zu sein braucht!

— kleine Retuschen vorgenommen werden. Aber das sind ästhetische Randbemerkungen zu einer technisch und klanglich hervorragenden Aufnahme, die sonst kaum einen Wunsch offen läßt:

GIACOMO PUCCINI: TURANDOT. Meneghini- Callas, Giuseppe Nessi, Nicola Zaccaria, Eugenio •Fernandi, Elisabeth Schwarzkopf, Mario Boriello, Renato Efcolani, Piero de Palma. Chor und Orchester der Mailänder Scala. Dirigent: Tullio Serafin. COLUMBIA C 90.934 36, 33 U. DM 72.—.

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