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Unerwartetes geschah

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Nervöse Spannung lag über dem Haus, bevor Giuseppe Verdis Oper „Die Macht des Schicksals“ neuinszeniert in der Deutschen Oper Berlin über die Bühne ging. Doch nicht wie sonst vor einer großen Premiere in erwartungsvoller Neugierde und Vorfreude. Eingeweihte hatten ausgeplaudert, zu welch heftigem Protest und lautstarkem Gelächter die Inszenierung auf der Generalprobe herausgefordert hatte. Der Premiere drohte ein Debakel. Die Verantwortlichen mußten eiligst handeln, um es zu verhüten. Es wurde korrigiert, revidiert, amputiert, die gröbsten Schwächen der Inszenierung ausgemerzt, ganze Szenen (3. Aktflnale „Kapuzinerpredigt“, „Rataplanchor“) gestrichen, andere neu gestellt. Die bange Frage blieb: genügten diese Manipulationen, den Premierenabend zu retten?

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Nervöse Spannung lag über dem Haus, bevor Giuseppe Verdis Oper „Die Macht des Schicksals“ neuinszeniert in der Deutschen Oper Berlin über die Bühne ging. Doch nicht wie sonst vor einer großen Premiere in erwartungsvoller Neugierde und Vorfreude. Eingeweihte hatten ausgeplaudert, zu welch heftigem Protest und lautstarkem Gelächter die Inszenierung auf der Generalprobe herausgefordert hatte. Der Premiere drohte ein Debakel. Die Verantwortlichen mußten eiligst handeln, um es zu verhüten. Es wurde korrigiert, revidiert, amputiert, die gröbsten Schwächen der Inszenierung ausgemerzt, ganze Szenen (3. Aktflnale „Kapuzinerpredigt“, „Rataplanchor“) gestrichen, andere neu gestellt. Die bange Frage blieb: genügten diese Manipulationen, den Premierenabend zu retten?

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Verdi siegte. Seine Musik überstrahlte alle Mängel. Die Sänger, der Chor, das Orchester entschieden den Erfolg. Lorin Maazel ergriff mit fester Entschlossenheit vom ersten Takt an die Führung und entschied damit das Schicksal des Abends. Anfänglich spannten sich Tempi und Dynamik noch zu extremen Kontrasten, doch wandelte sich im Verlauf des Abends der Streß zu gelöstem Musizieren.

Manch fragwürdiges Regieexperiment war in diesem Hause schon gescheitert. Auf authentische Interpretationsanweisungen des großen Maestros gestützt, hatte Margherita Wallmann inszeniert, ohne sinnvoll eine temporär bedingte Anpassung vorzunehmen. Die Darsteller mußten sich mehrfach mit Positionen abfinden, bei denen nur ihre sängerischen Leistungen diese Unzulänglichkeiten vergessen ließen. In ihrem offenkundigen Mangel an Ubereinstimmung von Vorstellung und Ausführung waren auch die Bühnenbilder von Eugenia Guglielminetti mehr als unbefriedigend. Das Zusammentreffen zweier Disqualifikationen, Regie und Ausstattung, ließen leider die gehäuften Unglaubwürdigkeiten der heute wie ein Schauerdrama wirkenden Handlung noch penetranter hervortreten.

Wie bereits gesagt: Nur die Musik rettete die Vorstellung. Was Verdi als klingendes Sublimat dem primitiven

Mord- und Rachespektakel abgewonnen hat, wurde durch ein elitäres Sängerensemble glänzend realisiert. Vom ersten Einsatz an bis zum Schluß leuchtete der Sopran der noch jugendlichen Tschechin Hana Jariku als Leonora in konzentrierter Strahlkraft. Der junge Italiener Bruno Prevedi als Don Alvaro konnte ein herrlich ausgeglichenes Tenormaterial vorweisen. Eine temperamentvolle Zigeunerin verkörperte Regina Sarfaty. Ingvar Wixell als Don Carlos, Leonoras Bruder, erfüllte die Partie des un-versöhnbar Rachsüchtigen mit seinem vollklingenden Bariton. Martti Talvela gab dem Pater Guardian durch die weiche Fülle seines voluminösen Basses die Züge verstehender gütiger Abgeklärtheit. Leider outrierte Renato Capecchi seinen Fra Melitone, wohl der Regie folgend.

Hatte auch zuerst eine leichte Befangenheit die Aufführung über-deokt, so steigerte sich die Beifallsfreudigkeit des Publikums am Schluß zu einem großen Erfolg. Alle Sänger wurden lebhaft gefeiert, die Gäste nahmen erfreut die warme Sympathie des Berliner Publikums entgegen. Als impulsiver und souveräner Herrscher über das gesamte musikalische Geschehen auf der Bühne und im Orchester erhielt Lorin Maazel stürmischen Applaus.

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