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Digital In Arbeit

An der Würde darf nicht gespart werden

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Der Staat allein wird all das, was behinderte Menschen zu Becht von der Gesellschaft erwarten, vermutlich kaum je erfüllen können. Ohne individuelle Betreuung, ohne persönliche Zuwendung und Geborgenheit, ohne private Hilfsbereitschaft wird es auch in Zukunft nicht gehen. Das bedeutet kurz gesagt, daß der persönliche, der emotionale Einsatz engagierter Menschen auch in Zukunft unersetzbar ist und bleibt.

Mein Dank gilt all jenen österreichischen Politikern, die in den vergangenen Wochen des Wahlkampfes der Verlockung zur Profilierung auf Kosten der Behindertenarbeit widerstanden - und so dazu beigetragen haben, daß wichtige Errungenschaften und ein neugewonnenes Stück persönlicher Würde nicht wieder verlorengehen.

Ich danke auch den Medien, die in den vergangenen Monaten aktiv am notwendigen Bewußtseinswandel mitgearbeitet haben. Trotz aller Enttäuschungen und Frustrationen, die Sie im Alltag immer wieder erleben, wächst die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Ihre Probleme. Die Bereitschaft, offen über Behinderungen zu reden und zu schreiben, ist heute sicher größer als jemals zuvor.

Ich danke den ungezählten Organisationen, Freunden, Gönnern und Helfern, die sich um die Stellung behinderter Menschen in Österreich -und um die Behinderten selbst -bemühen. Ich danke auch den ungezählten Verwandten und Freunden behinderter Menschen, die jahraus, jahrein weit mehr an Last und Bedrückung tragen, als sich die Gesellschaft bei allem Bemühen um Verständnis vorstellen kann. Ich wäre sehr froh, wenn möglichst viele von Ihnen über alle Belastung hinaus die Erfahrungmachen könnten, daß Ihre Arbeit nicht nur ein Dienst an der Menschlichkeit, sondern auch ein Dienst an sich selbst ist.

In einer Zeit, in der so viel vom Sinn-Defizit, von der Leere und von Freizeit-Neurosen die Bede ist, könnte die Arbeit im Behindertenbereich auch eine enorme Chance für den Menschen sein. Eine Chance zum Wachsen und Beifen. Sie kann mithelfen, das Leben für viele Menschen - für Behinderte und Nicht-Behinderte - reicher und erfüllter zu machen.

Vor allem aber danke ich Ihnen, den Behinderten selbst - für Ihre Kraft und Zuversicht - über alle Erschöpfung und alle Enttäuschung des Alltags hinweg.

Aus der Ansprache

des Bundespräsidenten bei einer vorweihnachtlichen Feier für die österreichischen Behindertenorganisationen am 13. Dezember in der Wiener Hofburg.

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