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Absurdes Defizit

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Die alten Wegweiser sind noch da. Sie stammen aus Zeiten, als das Dorotheum, Wiens berühmt-berüchtigte Pfandleihanstalt für den kleinen Mann, Tag für Tag endlose Besucherströme zu bewältigen hatte. Die Wegweiser teilten die Ströme und leiteten jeden zum richtigen Schalter: Einschätzung, Auszahlung des Darlehens, Umsetzung, Einreichung zur Auslösung, Auslösungskasse, Pfandausgabe…So kompliziert war das alles einmal.

Kompliziert ist der Betrieb des Dorotheums noch immer organisiert, wenn die für wahre Menschenmassen ausgelegten Säle der Pfandleihe auch meist leerstehen. Immerhin wurden Schalter zusammengelegt; und wofür einst vier Leute notwendig waren, genügen heute höchstens zwei.

Niemand, der durch die Pfandleihabteilungen mit ihrer immer verschlafenen Atmosphäre, und durch die Versteigerungsabteilungen mit ihrer fallweise hektischen Betriebsamkeit geht, würde auf den Gedanken kommen, daß die Institution Dorotheum dem österreichischen Staat Jahr für Jahr ein Defizit von Millionen beschert. Aber es ist so.

Schuld daran ist in erster Linie die Pensionslast, die allein fast zwei Millionen Schilling pro Monat beträgt. Die Pensionslast wird langsam geringer, aber die Leitung des Dorotheums hat den zweifellos von seiten des Finanzministeriums heftig geförderten Ehrgeiz, das Defizit so schnell wie möglich loszuwerden.

Der teuere Apparat

Die Pensionslast des Dorotheums hat zwei Entstehungsgründe. Erstens die Tatsache, daß bis 1930 jeder Bedienstete des Hauses automatisch pragmatisiert wurde, so daß zahlreiche Angehörige ehemaliger Doro- theumsbeamter auch heute noch im Genuß einer Pension stehen. Zweitens aber, und vor allem, wuchs im

Lauf von Jahrzehnten, ja Jahrhunderten der Apparat des Dorotheums zu einer der schwerfälligsten bürokratischen Maschinerien, die Österreichs Verwaltungsgeschichte überhaupt kennt, heran.

Der Betrieb war unrationell und außerordentlich personalaufwendig organisiert, die Leitung bürokratisch. Bezahlen mußten dies lange Zeit die Armen, die das Dorotheum brauchten. Kraft kaiserlichen Dekretes ge gründet, um die Armen nicht den Pfandwucherern auszuliefern, sondern Pfänder zu Zinsen auf Selbstkostenbasis zu verschaffen, war das Dorotheum ein so teurer Apparat, daß seine Zinsen durchaus mit denen der privaten Pfandleiher verglichen werden konnten. Reformen wurden niemals ernstlich versucht, so lange der Apparat funktionierte, und das heißt: solange kein Defizit entstand.

Aber mit zunehmendem Wohlstand wuchs zwar der durchschnittliche Wert eines Pfandes auf das Doppelte, dafür nahm die Zahl der Pfänder in den letzten Jahren rasant ab.

Seine bedeutendste Aufgabe hat es heute als Kunstauktionshaus, aber auch als Versteigerungsanstalt zur Verwertung von Nachlässen. Die Leitung des Dorotheums möchte nun einen revolutionären Schritt wagen und Werbung für ihre Dienstleistungen machen. Etwas unrealistisch mutet der Vorschlag an, die staatlichen Galerien sollten Kunstwerke, die nicht ausgestellt, sondern in den Magazinen gehortet werden, zur Versteigerung freigeben.

Da hat der Plan, den Modus der Autobelehnung zu verändern, schon bessere Chancen. Gegenwärtig ist es so, daß ein Pkw vom Dorotheum nur dann belehnt werden kann, wenn er als Pfand in dessen Händen bleibt. Gesucht wird ein Weg, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Das Auto soll beim Eigentümer bleiben, der es weiter benützen darf. Womit teurer Lagerraum erspart würde, vor allem aber ein sehr viel größerer Interessentenkreis angesprochen würde.

Auch denkt man dran, verfallene Pfänder, die in den Auktionen nicht losgeschlagen werden konnten, im Direktverkauf zu verwerten. Eine Möglichkeit, deren man sich schon viel früher hätte besinnen können.

Selbstkritisch meint das Doro theum, daß eine Verwirklichung neuer Pläne in Richtung auf eine zeitgemäßere und marktkonformere Autobelehnung nur mit Hilfe der Finanzkraft und des Managements eines Geldinstitutes bewerkstelligt werden könne. Vor allem der zweite Punkt besticht durch seinen Realismus. Möglicherweise wäre ein modernes Management überhaupt das, was das Dorotheum am dringendsten benötigt.

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