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Aus-Stellung oder Aus-Lese?

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Schubert-Ausstellung im Sommer 1978 im Palais Harrach in Wien: eine großangelegte Schau mit vielen unbekannten Dokumenten, Autographen, Bildern und Partituren des österreichischen Komponisten. Man hatte sich viel Mühe gegeben.

Nur: Auf Erklärungen und erläuternde Hinweise zu den Ausstellungsstücken hatte man zum Großteil vergessen. Diese erfuhr man aus einem dickleibigen Katalog: ein gründliches wissenschaftliches Werk mit Registern, Quel-lenterzeichnissen und langen, schwer verständlichen Essays über Schubert, seine Zeit und seine Musik.

Ohne diesen Katalog konnte man die Ausstellung kaum genießen und verstehen. Da irrte man hilflos zwischen Ausstellung sstük-ken hin und her, wurde ein Museumsbesuch zu einer Tortur.

Das ist kein Einzelfall. Immer häufiger brüsten sich Museen und Ausstellungsveranstalter mit teuren, dicken Katalogen, immer häufiger werden Bilder oder Kunstwerke kommentarlos präsentiert: Man hält es nicht für notwendig, dem Besucher zu erklären, was er sieht. Wagt jemand, leise Kritik zu üben, verweist man entrüstet auf den Katalog, in dem ohnehin alles Wissenswerte stehe.

Daß sich viele Besucher einen Katalog weder leisten wollen noch können, interessiert die Veranstalter nicht. Service und Infor-

mation im Museum erscheint ihnen fast als Blasphemie, als würde man die heilige Aura der Kunst damit zerstören.

Die Franzosen, Engländer und Amerikaner haben diesen Mißstand schon erkannt. Im weltberühmten Centre Pompidou gibt es keine Ausstellung ohne Hinweistafeln, da wird dem Besucher kostenlos Informationsmaterial in die Hand gedrückt, sind die Museumsbediensteten freundlich und zu Auskünften bereit. Im British Museum wird auf handlichen Ta-fein, die jeder Besucher selbst einem Regal entnehmen kann, jeder Kunstgegenstand beschrieben, außerdem wird seit einigen Jahren schon ein Bild des Monats vorgestellt. Im Museum of Modern Art in New York kann man Tonbandkassetten entlehnen, die gewissermaßen als Führer durch das Museum fungieren.

Bei uns (und auch in Deutschland) setzen sich solche Dienstleistungen schwer durch. Man glaubt anscheinend immer noch, das Museum sei nur für Fachleute da.

Deshalb sollte man sich gar nicht über die sinkenden Besucherzahlen und die wachsende Kritik an unserem Ausstellungswesen wundern. Vom hohen Roß und mit teuren, in unverständlichem Fachjargon geschriebenen Katalogen wird man das Interesse an der Kunst - vor allem an der modernen Kunst - nicht steigern.

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