6817867-1973_18_12.jpg
Digital In Arbeit

Beim Wiederhören

Werbung
Werbung
Werbung

Nach der am 8. November erfolgten, in der FURCHE besprochenen Wiener Erstaufführung von Pende-reckis „Lukas-Passion“ unter der Leitung Jerzy Katlewiczs fand jetzt eine Reprise im Großen Musikvereinssaal statt, die einen zwiespältigen Eindruck des Werkes hinterließ. Penderecki geht mit musikalischer Brachialgewalt auf die Hörer los und versucht ,mit letzten avantgardistischen Kompositionsmethoden das Leiden und Sterben Christi in der Zusammenfügung von Psalmentexten und Abschnitten aus dem Lukas-und Johannesevangelium darzustellen. Dabei gelingt es ihm nur selten, bei dem Brückenschlag in die Moderne die Verbindung mit der Vergangenheit zu wahren, so daß die Kontinuität der künstlerischen Sprache und zugleich die Voraussetzung für ihre Verständlichkeit verloren geht. Nur in einigen flüchtigen Ansätzen zu lyrischen Chorstellen ist eine Synthese zur Tradition zu erkennen. Ansonsten operiert Penderecki mit harten lautstärksten Vokal-und Instrumental-Clustern, mit schrillen Geräuscheffekten der mit umfunktionierten Spieltechniken herangezogenen Orchesterinstrumente und aufheulenden Chor- und In-strumental-Glissandi. Jedenfalls behält bei einer Konkurrenz zwischen der Gefühlskomponente des Komponisten und der Konstruiertheit sei-

ner Musik die letztere die Oberhand.

Die Solopartien waren wie bei der Erstaufführung im Jahre 1969 mit dem prachtvollen voluminösen Sopran Stefania Woytowiczs und dem dunklen profunden Baß Bernard Ladyszs besetzt, die Worte Jesu sang diesmal Ernst Schramm mit leider stark forciertem, oft bedenklich wackelndem Bariton, als Sprecher des lateinischen Textes fungierte Hans Christian. Daß die vom Komponisten oft zum Jaulen gezwungenen Gesangstimmen verheerend mißbraucht werden, bezieht sich sowohl auf die Solisten, als auch auf den Chor, der singend, sprechend, flüsternd und mit höhnenden Aufschreien eingesetzt erscheint.

Die Ausführung des Werkes durch die Solisten, die vereinigten ORF-Chöre Wien und Salzburg, die Wiener Sängerknaben und das ORF-Sj/mphonieorchester verdient angesichts der Schwierigkeit der Passion größtes Lob. Für eine sehr exakte, dutzende Proben bedingende Einstudierung hatte in bewundernswerter Partiturerkenntnis Miltiades Caridis gesorgt, der mit übergroßen, wenn auch manchmal komisch und exaltiert wirkenden Bewegungen das Werk dirigierte und volle Hingabe bewies. Die Anteilnahme des Publikums an der Aufführung äußerte sich in starken Beifallskundgebungen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung