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Bis zum Tag X

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Die Entscheidungen in dieser Frage, so polterte der steirische Landeshauptmann Dr. Friedrich Niederl kurz nach seiner Wahl zum ÖVP-Landesparteiobmann, sollte man jenen überlassen, die mit den örtlichen Verhältnissen besser vertraut sind als die Herren im fernen Wien. Der Krainer-Nachfolger ritt die Attacke auf dem steirischen ÖVP-Landesparteitag in Sachen Aichfeld-Murboden — dem Gebiet um Zeltweg, Knittelfeld und vor allem dem Bergwerksort Fohnsdorf, das einem umfassenden Umstrukturierungsprozeß unterzogen werden soll. Bevor man allerdings noch mit konkreten Maßnahmen zur Förderung dieses Gebietes begonnen hat, beginnen sich bereits der Bund und das Land Steiermark vorzurechnen, wer was und wieviel für die Ober-steirer tun wird. Hinter diesem formalen „Leistungsgeplänkel“ steht jedoch ein hochpolitisches Kräftemessen, von dessen Ausgang vermutlich das zukünftige Panorama der politischen Landschaft der Steiermark geprägt sein wird. Unmittelbar ausgelöst wurde die Aichfeld-Murboden-Auseinandersetzung von der Kohlengrube in Fohnsdorf, die „wie ein Damoklesschwert über dem gesamten Gebiet hängt“ (so ein Beamter der zuständigen Abteilung für Wirtschaft und Statistik im Amt der steiermärki-schen Landesregierung). Diese Grube ist wie fast alle österreichischen Kohlengruben reichlich defizitär und somit von der Schließung bedroht. Eine solche Schließung würde aber zweifellos die Wirtschaft des gesamten Gebietes treffen (wie man es etwa bei der Schließung der Lakog-Grube im Kärntner Lavanttal erlebte), weshalb man sich auch bei allen offiziellen Stellen davor hütet, das Wort Schließung auch nur in den Mund zu nehmen. Spätestens wenn in der Grube Fohnsdorf die nächsten größeren Investitionen fällig werden, wird man sich jedoch zu dieser Maßnahme durchringen müssen.

In der Steiermark hat man dieses Problem rascher erkannt als etwa in Kärnten im Zusammenhang mit der Lakog. Aus diesem Grund stellt die Gegend um Fohnsdorf auch einen Schwerpunkt im Wirtschaftsförde-rungsprogramm des Landes dar.

Den Steirern ist es gelungen, Siemens dazu zu bewegen, in Fohnsdorf eine Lehrwerkstätte zu errichten, die der Jugend, die seit Generationen hauptsächlich im Bergbau Arbeit fand, einen anderen Ausbildungsweg schmackhaft macht. Verhandlungen mit weiteren Großunternehmen, die Industriebetriebe errichten sollen (man spricht unter anderem von der Firma Bauknecht), sind in vollem Gange. Durch diese Industriegründungen will man ein „Gegengewicht zum Tag X“ (wie man die Schließung der Grube umschreibt) schaffen. Mit einem breitangelegten Umstrukturierungsprozeß will man erreichen, daß die Grubenschließung keine Gewaltmaßnahme, sondern nur noch eine logische Konsequenz der neuen Situation auf dem Arbeitsmarkt sein wird...

Kreisky mit Sebastian

Analog dazu will man aber auch die nötigen infrastrukturellen Maßnahmen (Straßen- und Wohnungsbau, Öffnung des Militärflughafens Zeltweg auch für Privatflugzeuge und so weiter) treffen, die für ein Industriegebiet, wie man es in Fohnsdorf plant, notwendig sind. Mit den Industriegründungen hofft man aber auch auf den Zuzug der Zulieferungsbetriebe, die eine weitere wirtschaftliche Stärkung des Gebietes bringen müßten. Wie sehr alle diese Maßnahmen mit der nicht zu umgehenden Grubenschließung in Fohnsdorf zusammenhängen, geht schon aus der Tatsache hervor, daß laut Arbeitsamtstatistik das Gebiet

Aichfeld-Murboden zur Zeit noch gar nicht so viele Arbeitskräfte aufbringen kann, wie von den zukünftigen Industriebetrieben benötigt werden.

Von all diesen Dingen hörte man jedoch relativ wenig, bevor Kanzler Kreisky geschickt auf den von den Steirern gezogenen Wagen aufsprang und damit sich selbst und seinem steirischen SP-Lehensherrn, Landeshauptmannstellvertreter Sebastian, zu Popularität in grünmärkischen Landen verhalf.

Kein Wunder, daß die steirische ÖVP nun ihre „Jochwinde“ wehen ließ und dem Kanzler — der jeden Schachzug mit Sebastian abspricht und auch nie vergißt, diesen ins rechte Licht zu rücken — auf den Kopf zusagten, der Bund habe sich nur zu Leistungen bereit erklärt, die er ohnehin zu vollbringen habe — nämlich zu Straßen- und Wohnungsbau sowie anderen in die Kompetenzen des Bundes fallende Maßnahmen. Die Sonderfinanzierunge vom Ballhausplatz — so sagt man i der Steiermark — betreffen nur da Timing. Man wird obersteirisch n Projekte eben auf der Bundespriorlin tätenliste vorziehen — damit wurde as aber auch bereits alles getan, le

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