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Die Türschilderreform

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Der Verteidigungsminister nimmt in Österreich zwar nicht ad perso-nam, aber in seinem Amt eine Sonderstellung ein: Während seine Ministerkollegen in ihren Handlungen durch ein breites Filter demokratischer Einrichtungen beobachtet und kontrolliert werden, fragt man sich, ob und wie die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres kontrolliert werden kann. War es bisher für den zivilen Beobachter noch möglich, sich aus Äußerlichkeiten, wie aus Paraden und Manövern, ein vages Bild von den Vorgängen im Heer zu machen, fiel mit Jahresbeginn ein bleierner Vorhang über alles, was sich am Franz-Josephs-Kai abspielt.

Auch auf den jüngsten Streitfall der aufgeschobenen „Septemberreform“ kann sich die Öffentlichkeit nur schwer einen Reim machen. Da wird von der Regierung ein Minister präsentiert, der in seinem Drang, endlich die langangekündigten Reformen in die Tat umzusetzen, von einer eifersüchtigen und vom politischen Gegner kontrollierten Personalvertretung daran gehindert wird. Die Gegenseite beschwört das Chaos herauf, wirft dem Minister Verletzung der gesetzlichen Verpflichtungen vor und weist energisch den Vorwurf, nur Bremser zu sein, zurück.

Letzter Akt des Trauerspiels war aber wohl ein ministerieller Ukas, in dem Lütgendorf die Schuld an eine Abteilung seines Hauses abwälzt. Die Zentralabteilung, so Minister Lütgendorf, habe nicht für die fristengemäße Weiterleitung seiner Reformvorhaben an die Personalvertretung gesorgt.

Hier liegt aber der Hase im Pfeffer der Landesverteidigung. Man mag über die Einrichtung der Personalvertretung, speziell als Mitbestimmungsorgan in einem auf Gehorsam und Befehl ausgerichteten Instrument, unterschiedlicher Meinung sein. Der Verteidigungsminister hat ja seine Ansicht zu dieser Einrichtung bereits mehrmals und unmißverständlich geäußert. Aber auch Lütgendorf muß mit diesem Organ und dem ihm durch Gesetzeskraft zugewiesenen Rechten leben. Etwaigen Reibungen einfach dadurch zu entkommen, daß man jeglichem

Kontakt mit den gewählten Vertrauensmännern aus dem Weg geht, scheint von vornherein verfehlt — von der Gefahr ganz zu schweigen, daß damit nur Emotionen und Ressentiments geweckt werden.

Brigadier kontra Minister

Nun, der Verteidigungsminister fand es nicht für notwendig, ausreichend die Personalvertreter über geplante Maßnahmen an der Spitze seines Hauses zu informieren. Tat er wenigstens den Schritt vor die Öffentlichkeit, vor die Presse? Mitnichten. Wen wundert es noch, daß sich auch hier bald die Konfusion breitmachte.

Die Tatsache, daß dieses Heer nicht geführt, sondern verwaltet wird, erkannte man freilich schon vor der Ministerschaft Lütgendorfs. Bereits die Bundesheerreformkom-mission nahm 1970 in ihren Endbericht die Forderung auf, es müsse unverzüglich eine militärische Führungsspitze geschaffen werden. Ja selbst das Kommissionsmitglied Brigadier Lütgendorf präsentierte damals dazu einen Vorschlag.

Darin war alle Macht in der Hand eines zu schaffenden Chefs des Generalstabs konzentriert. Das aber löste Besorgnis unter den Offizieren aus, wodurch der „Brief der 1700“ entstand. Auch darin war allerdings neuerlich die Forderung nach einer Führungsspitze enthalten.

Trotz dieser seltenen Einmütigkeit ist bis heute eine Realisierung nicht gelungen. Sieht man sich die Pläne und Vorstellungen des Brigadiers Lütgendorf und die des Ministers Lütgendorf genau an, tritt ein entscheidender Gesinnungswandel klar zutage. Während der Soldat Lütgendorf die Position eines Soldaten an der Spitze sehr stark betonte (man sollte ihm dabei gar nicht unterschieben, daß sein Kandidat für dieses Amt schlicht und einfach Lütgendorf hieß), hat der Politiker Lütgendorf diese Position drastisch geschwächt.

Nach seinen neuen Vorstellungen sollen dem Chef des Generalstabes, der übrigens noch durch eine Gesetzesänderung zu schaffen sein wird, nicht mehr als zwei Sektionen des Monstrums unterstehen. Der

Rest sowie die neugeschaffenen Ämter bleiben unter des Ministers Obhut.

Es war der derzeitige Generai-truppeninspektor und wahrscheinliche künftige Chef des Generalstabes, Leeb, der als erster Einwände gegen Lütgendorfs Pläne vorbrachte. Erst der Kompromiß des freiheitlichen Abgeordneten Zeillinger, der die Frage der Spitzengliederung einfach vorläufig zurückstellte, ' machte den Weg für die weitere Reform frei.

Nun wird klarer, warum man sich im Verteidigungsministerium gegen die Türschilderreform wehrt. Denn die klaren Akzente, einst von Lütgendorf selbst gefordert, sind längst

- unter persönlichen Machtabgrenzun-

- gen untergegangen. Dies alles ging aber im Streit und

- der permanenten Verunsachlichung

- der Probleme der Landesverteidi-

- gung unter. Hier täte sich, wie in e diesem Blatt schon mehrmals gefor-

- dert, ein weites Tätigkeitsfeld der s Opposition auf. Aber Sachlichkeit tut

- an erster Stelle not.

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