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Unfertiges Puzzle
Einhundertundelf Jahre, rechnete FP-Wehrexperte_Zeillin-ger genüßlich den Abgeordneten vor, müsse Karl Ferdinand Lütgendorf im Amt bleiben, dann könne er bei der derzeitigen Steigerungsrate im Haushalt rechnen, daß seine Traumgrenze, von 7 Prozent Anteil der Landesverteidigung am Gesamtbudget, erreicht werde.
Einhundertundelf Jahre, rechnete FP-Wehrexperte_Zeillin-ger genüßlich den Abgeordneten vor, müsse Karl Ferdinand Lütgendorf im Amt bleiben, dann könne er bei der derzeitigen Steigerungsrate im Haushalt rechnen, daß seine Traumgrenze, von 7 Prozent Anteil der Landesverteidigung am Gesamtbudget, erreicht werde.
Wohl stellt niemand Rechnungen über des Ministers Lebenserwartungen an; über die Langzeitwirkung seiner mehrfach gerühmten Steherqualitäten gehen die spekulativen Erwartungen allerdings auseinander. Schon werden in diesem Zusammenhang neue Modelle und Namen genannt. So hört man, der Regierungschef erwäge die Entlastung seines Sorgenkindes durch einen Staatssekretär im Heeresressort. Wie nicht anders zu erwarten ist, wird an erster Stelle auf der Gerüchtebörse der Name Spannocchi gehandelt. Doch für den Landedelmann, mit dem — so „Profil“ — noch immer unerschütterten Bekenntnis zur Volkspartei, ist der Widerstand bei seinem Überholmanöver immer deutlicher zu spüren. Brachte er doch mit seinen Vorstellungen viel von dem, was seine Generalskameraden bereits als Reform verstanden wissen wollten, zum Einsturz. So sehr der Reformdenker Spannocchi sich von der Vergangenheit zu lösen versucht, in seinen Aktivitäten erinnert der General an einen Panzerführer der Ära Guderian, der sich unter Zurücklassung einer Staubfahne immer mehr vom Gros absetzt.
So stellt sich dem Rezensenten die Causa Landesverteidigung im zweiten Amtsjahr der Stabführung Kreisky-Lütgendorf als ein ziemlich unvollendetes Puzzle dar, bei dem die Hauptakteure krampfhaft bemüht erscheinen, das fehlende Bindeglied zu finden. Die Gleichgesinnten um den Generaltruppeninspektor sehen sich dabei immer mehr dem Vorwurf ausgesetzt, die bösen Buben zu sein, die die entscheidenden Puzzlesteine versteckt halten.
Schien bislang die zu schaffende Position eines Chef des Generalstabes die zentrale Figur auf dem Manövrierfeld, zeigte sich nur zu rasch, daß Amt und Person nicht zu trennen sind.
Der Fall Leeb spricht für sich. Doch nicht nur der oberste Soldat mußte an sich erfahren, wie schnell Lütgendorf bereit ist, Konzepte zu Fall zu bringen, sollten sich die damit befaßten Akteure anmaßen, eigene Vorstellungen zu entwickeln. Auch der Jahrgangskamerad Duic, bereits als möglicher Chef des Armeeoberkommandos genannt, findet säoh nach Un-konformheit in der Gedankenfüh-führung aus dem Dunstkreis des Ministervertrauens ausgestoßen. Ja man spricht davon, daß auch Oberst Kuntner, Texter von Ministerreden und -konzepten sich nach Luftveränderung sehne. Als Geschenk für die nun ungeliebte Arbedt soll ein UNO-Posten im Stabe Waldheims winken.
Lütgendorfs im stillen Kämmerlein entworfene Pläne geraten immer mehr zum Stückwerk. So blieb die Reform des Heeres bislang sowohl an der Spitze wie auch an der Basis stecken, im finanziellen wie im materiellen und schließlich auch im geistigen Bereich.
Was nützen da Warnungen des Ministers, daß noch nirgends auf der Welt auf eine glaubwürdige Verteidigungspolitik als Teil der Sicherheitspolitik verzichtet wurde? Wie schal klingt da doch der Hinweis, daß, trotz der zu erkennenden Absicht, künftig Konflikte unter Ausschluß der zur Verfügung stehenden Gewaltmittel friedlichen Lösungen zuzuführen, man mit der Tatsache konfrontiert sei, daß diese Mittel der Gewalt in Österreichs Nachbarschaft nach wie vor in unvermittelter Stärke vorhanden sind. Man mag es beleuchten wie man es will, die Lösung hängt einzig und allein an dem Wörtchen „glaubwürdig“. Und glaubwürdig ist dieses Spiel um „Puzzlesteine“ nicht mehr.
Wer nimmt es da dem Außenminister noch übel, wenn er seinen Part schwerer gewichtet als den seines Kollegen Lütgendorf? Aber auch eine glaubwürdige Sicherheitspolitik kann durch eine unglaubwürdige
Verteidigungspolitik an Gewicht verlieren. Dies möge man sich noch rasch vor dem Konferenzjahr 1973 in Erinnerung bringen.
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