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General kontra Brigadier

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Mag auch das Kriegführen eine zu ernste Sache sein, um sie den Generalen zu überlassen: in der Frage der Bundesheer-reform kamen Österreichs Politiker zur gegenteiligen Ansicht.

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Mag auch das Kriegführen eine zu ernste Sache sein, um sie den Generalen zu überlassen: in der Frage der Bundesheer-reform kamen Österreichs Politiker zur gegenteiligen Ansicht.

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Geschockt durch eine Flut von unbekannten Begriffen und einen Wust von Zahlen, die Minister Lütgendorf mit seiner Heeresgliederung 72 präsentierte, suchte man eine fachliche Rückversicherung. Generaltruppeninspektor Leeb, durch den Bundeskanzler als Gutachter vorgesehen und für diese Aufgabe von der Weisungsgebundenheit des Beamten freigestellt, verstand es geschickt, Sach- von Personalloyalität zu trennen. Die Kritik an den Lütgendorf-schen Zahlenrubriken richtete sich weniger gegen das Schema, nach dem der einstige Brigadier und nunmehrige Minister das Heer umglie-dern will, sondern vielmehr gegen die Hoffnungen, dieses Gedankenmodell auch in die Praxis umsetzen zu können. Daher auch die Betonung Leebs und der Generale, die zu den Beratungen herangezogen wurden: „Als Modell zwar theoretisch, aber praktisch brauchbar.“

Vor allem in der Frage der personellen Entwicklung beim Kader der Berufssoldaten, als auch auf dem Sektor der freiwillig Längerdienenden sind die Generade erheblich pessimistischer als ihr Minister. Um einer lästigen Überprüfunig dieser etwas vagen Hoffnungen aus dem Weg zu gehen, Heß Lütgendorf vorsorglich jedenfalls einmal alle Zahlen über den personellen Stand als vertraulich sperren. Aus militärischen Kreisen ist indes eine gewisse Verärgerung über des Ministers „berufsmäßigen Optimismus“ nicht zu überhören.

Bei den Grundwehrdienern (die sich entschließen, länger als die gesetzliche Pflicht es erfordert, den Uniformrock zu tragen) überwiegen die kurzfristigen Verpflichtungen; angeblich nur 10 Prozent dienen mehr als 15 Monate. Erst nach dieser Verpflichtungsdauer aber wird der Soldat für höherwertige Funktionen brauchbar und für das Heer nützlich.

Die „Durchdiener“, also jene Soldaten, die an ihren Grundwehrdienst sofort die 60tägigen Waffen-Übungen anhängen, sind das zweite Sorgenkind. Sie kosten das Bundesheer viel Geld, fallen zudem für eine künftige Verwendung in der Reserve aus und sind daher kein lohnendes Objekt für eine intensive Fachausbildung. Eher ungeliebter Notnagel, um gewisse personelle Engpässe pro forma zu stopfen, sind sie in ihrem Wert aber mehr als umstritten.

„Buhmann“ General Bach

Mit nicht weniger Sorge beobachten die Militärs die Entwicklung auf dem Sektor der Einjährig-Freiwilligen. Die geplante Einberufung der Maturanten nach der Reifeprüfung wind zwar allgemein begrüßt, es mehren sich aber Befürchtungen, der 6-Monate-Dienst könnte das Ende des Reserveoffiziersnachwuchses bedeuten. Sollte es künftig wirklich möglich sein, zwischen Reifeprüfung und Inskription an einer Hochschule den Grundwehrdienst ableisten zu können, scheint es wenig realistisch, auf eine gleich große Zahl von Soldaten zu hoffen, die wie bisher für die silbernen Ärmelstreifen zwölf Monate dienen. Die angehenden Studenten müßten in Zukunft nicht nur wie bisher auf ihre verdienten Som-menferien verzichten, sondern auch die Einbuße eines vollen Studienjahres in Kauf nehmen. Zu viel Idealismus wird da verlangt.

So scheinen die Schwierigkeiten, denen sich die Regierung und mit ihr der Fachmdnister Lütgendorf gegenübersieht, um aus der „Reformmasse“ wieder ein taugliches

Wehrinstrument zu schmieden, überhand zu nehmen. Es wäre nun ein zu simples Spiel, die Verantwortung dafür den Generalen in die Schuhe zu schieben. Bundeskanzler Kreisky war allerdings in einer ersten Stellungnahme nach dem letzten Landesverteidigungsrat bereits nahe daran, dies zu tun, indem er in der Opposition der Spitzenmilitärs einzig und allein seinen „Buhmann“, General Bach, vermutete. Nun — vielleicht findet die Generalität unter der sehr geschickten und subtilen Vorgangsweise ihres Generaltruppeninspektors zu einer anerkannten Stellung als nötiges Fachkorrektiv: denn die Wehrexperten unter den Politikern sind sehr dünn gesät.

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