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Der Kampf der Generale

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Die Forderung nach Schaffung einer militärischen Führungsspitze ist so alt, wie die Krise des Bundesheeres latent ist. Was 'den Soldaten aus höchst unterschiedlichen Motiven unter drei Ressortchefs der Volkspartei versagt blieb, verwehrte ihnen nun auch ein Kamerad: öb Brigadier Lütgendorf dabei auf einen Drück seines Regierungschefs reagierte oder mit dessen stiller Billigung den unbequemen Rivalen Leeb entmachtete, kann für das Heer von geringer Bedeutung sein. Als Faktum bleibt, daß die Truppe weiter verwaltet und nicht geführt wird.

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Die Forderung nach Schaffung einer militärischen Führungsspitze ist so alt, wie die Krise des Bundesheeres latent ist. Was 'den Soldaten aus höchst unterschiedlichen Motiven unter drei Ressortchefs der Volkspartei versagt blieb, verwehrte ihnen nun auch ein Kamerad: öb Brigadier Lütgendorf dabei auf einen Drück seines Regierungschefs reagierte oder mit dessen stiller Billigung den unbequemen Rivalen Leeb entmachtete, kann für das Heer von geringer Bedeutung sein. Als Faktum bleibt, daß die Truppe weiter verwaltet und nicht geführt wird.

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Seit dem Herbst 70 liegt als Konsens der Beratungen der vielschichtigen Kommission, die über die Reform des Heeres zu beraten hatte, der Beschluß vor, der Bundesregierung die Straffung des Führungsapparates zu empfehlen. Seit dem 1. Dezember 1971 ist bekannt, daß sich auch Minister Lütgendorf diesem Rat angeschlossen hat. Der Öffentlichkeit wurde bereits damals das fertige Konzept — in Quadraten und Rechtecken — präsentiert. Es sah, bei direkter Unterstellung unter den Minister, einen sogenannten „Chef des Generalstabes“ vor. Diesem direkt nachgeordnet wurde ein Armeeoberkommando. Gleichzeitig oblag dem „Chef“ die Koordinierung der Tätigkeit der beiden sogenannten „militärischen“ Sektionen des Ministeriums. Dazu war eine eigene Stabsabteilung vorgesehen., zusätzlich eine eigene Planungsabteilung.

Spötter bemerkten bereits damals, daß diesen Schubladenplan der Brigadier Lütgendorf für sich selbst ausgearbeitet habe, noch nicht ahnend, daß er einmal selbst zu höheren Ehren aufsteigen werde.

Seit diesem Zeitpunkt also — mehr als ein Jahr — sind diese Gedanken dem Regierungschef nicht neu. Zwar mußte Lütgendorf im Laufe der politischen Behandlung seiner Absichten zulassen, daß mehr Wasser in seinen Reformwein gegossen wurde, als ihm lieb war. Mit von der Partie bei dieser „Pantscherei“ waren auch die Generale. Allen voran, wohl nur als primus inter pares, Generaltruppeninspektor Leeb.

Mit der Betrauung von Generalmajor Spannocchi zum Leiter eines sogenannten Aufstellungsstabes für die Bereitschaftstruppe eskalierte der Generalskonflikt. Was nach außen als Streit um die Frage ausgetragen wurde, ob man nun befürchten müsse, daß ein „Heer im Heer“ entstehe, war vielmehr der Kampf zwischen zwei Richtungstruppen. Die einen kämpfen für eine „neue Armee“, die anderen wollten die „alte Armee“ retten.

Als erster „Gralshüter“ trat General Bach ins Rampenlicht. Als sein demonstrativer Rücktritt nicht die erhofften Reaktionen auslöste, igelte man sich ein. Die Unsicherheit und die Unruhe — vor allem im jüngeren Führungskader — ausnutzend, trieb Reformer Spannocchi seine Mannen zur Eile an. Exklusive Gespräche Spannocchis mit dem Kanzler und Imagepflege durch ein „ProfiT'-Interview scheinen den Adels- und Generalskameraden Lütgendorf jedoch etwas verschreckt zu haben. Es erscheint dem Minister offenbar für seine Person zu gefährlich, ganz auf einen Mann zu setzen — nämlich auf Spannocchi. Scheitert der adelige Offizier mit der Mitgliedschaft beim ÖVP-Bauernbund, muß auch Lütgendorf um seine Position fürchten.

Dementsprechend werten Beobachter des Geschehens am Franz-Josefs-Kai die Entrnachtung Leebs weniger gravierend, als den Aufbau eines neuen Supermannes.

Nicht Leeb soll künftig ein etwaiges Gegengewicht zu Spannocchi bilden, sondern der langjährige engste Mitarbeiter des Ministers in seiner früheren Funktion als Ausbildungschef, Brigadier Jetzl.

Wenngleich man bis vor kurzem beiden Brigadieren ein eher gespanntes Verhältnis nachsagte, scheinen verschiedene Motive Lütgendorf und Jetzl jetzt geeint zu haben. In der nach wie vor dem Minister direkt unterstehenden Sektion III, deren Leiter der ehemalige Adjudant des Bundespräsidenten, General Koiner, ist, steht Jetzl einer Anhäufung von Abteilungen vor, wie sie einst nicht einmal um Brigadier Habermann konzentriert waren. Habermann selbst trat den Weg in die eigene Selbstversenkung an. Er steht ab nun dem Leeb'schen Planungsbüro vor, das einen „Wurmfortsatz“ darstellt — wie ein hoher Offizier den Zustand glossierte.

Hinter der anonymen Bezeichnung „Gruppe Einsatzvorbereitungen“ unter Jetzl wollen Eingeweihte den Kern eines Aufstellungsstabes für die Landwehr erkennen. Damit wäre der zweite Kristallisationspunkt der „Neuen Armee“ geschaffen, den Befürchtungen der Generalskritiker entgegengewirkt und ein natürliches Gegengewicht zur Spannocchi-Truppe geschaffen. So gesehen gewinnt die auf den ersten Blick eher dubios wirkende Umgruppierung einen dichten Kern.

Generaltruppeninspektor Leeb griff nach der „Entmachtung“ zum Briefpapier und vertraute seinen Ärger und seine Bedenken wohlgeordnet einem Schreiben an den Minister an. Von General Bachs Mißerfolg noch geschockt, verneint er jedoch Rücktrittsabsichten.

Der Öffentlichkeit versagte sich der General bisher. Er kämpft lieber auf die stille Art des Beamten — wie es ja der Bundeskanzler seinen Generalen auferlegt hat.

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