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Amtsvorsteher in Uniform

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Seit der Einsetzung der Bundes-heerreformkommission sind nun fast genau drei Jahre, seit der Novellierung des Wehrgesetzes zwei Jahre vergangen. Viel Zeit also, in der das Reformwerk bereits zu versanden drohte. Mit 1. Juli soll nun endlich ein Grundpfeiler des neuen Bauwerkes gesetzt werden. Die Schaffung eines Armeekommandos, das direkt dem Minister untersteht, soll garantieren, daß diese Armee endlich geführt und nicht verwaltet wird — was eine alte Forderung der Soldaten darstellt. Sie selbst waren es aber, die diesen Umbau verzögerten.

Aber auch von außen wurde diese neue Institution bereits vor ihrer Gründung als Munition für politischen Streit mißbraucht. Zweifelsohne bedeutet die Schaffung neuer Schreibtische stets einen willkommenen Anlaß, der Gegenseite Mangel an Sparsamkeit vorwerfen zu können. Im Falle des Armeekommandos wurde dar Streit jedoch mit umgekehrten Vorzeichen geführt: Man beklagte von Seiten der Opposition den Verlust eines Stabes (also von Schreibtischen), der der Neugründung zum Opfer fiel.

Dieses Beispiel soll in erster Linie zeigen, wie leicht es die Opposition der Regierung macht: indem man sich offenkundig uninformiert über die wahren Sachzwänge an oberflächlichen Mängeln festkrallt und am harten Kern vorbeizielt, wird man schnell als Kritiker widerlegt.

Das Armeekommando repräsentiert in erster Linie nun endlich die Einheit von Verantwortung und Kompetenz. Vieles, was im Zuge der Reform bereits zu Papier gebracht wurde und auch Billigung fand, konte nicht umgesetzt werden, da die zentrale Motorik fehlte.

Verteidigungsminister Lütgendorf hat in zunehmendem Maße Schwierigkeiten, aus der sich selbst verordneten Entscheidungsabstinenz wieder herauszufinden. Die Furcht, sich zu exponieren, degradiert ihn zum Amtsvorsteher. In zunehmendem Maße zeichnet sich bei ihm eine Kontaktschwäche zu Kanzler und Finanzminister ab, die seine wichtigsten Partner im Bestreben waren, Wollen in Können umzusetzen.

Im Prinzip hat die Regierung das Modell des neuen Heeres akzeptiert. Als Indiz darf wohl die Bestellung von Generalmajor Spannocchi zum neuen Armeekommandanten gewert-tet werden.

Dabei aber die Vorliebe des Kanzlers für Berater aus dem Adelsstand als treibendes Moment zu sehen, wäre falsch. Spannocchi hat nie aus seiner politischen Zugehörigkeit ein Hehl gemacht — dies in klarem Gegensatz zu seinem Minister. Auch hat er die Übernahme des neuen Amtes mehrfach vor der Öffentlichkeit von der Zusage des Kanzlers zu einigen wesentlichen Forderungen abhängig gemacht. Fraglich ist nur, wer für ihn künftig diese Forderungen einklagt.

Die große Oppositionspartei, die ÖVP, ist auf dem Gebiete der Wehr-politik, sachlich wie personell, mittlerweile unglaubhaft geworden. Sie hat es nicht verstanden, in einer mehr als zweijährigen Phase der Untätigkeit der Regierung, Alternativkonzepte zu präsentieren. Damit hat sie allerdings auch das Recht verwirkt, nun als Kritiker oder gar als Bremser aufzutreten. Die Freiheitlichen, die nie bestritten haben, in der Wehrpolitik oft der Tagesopportuni-

tat den Vorzug zu geben, werden kaum vor den Oktoberwahlen noch ein Orientierungszeichen setzen.

Die Gefahr der Isolierung des neuen Kerns der Armee ist von außen kaum geringer als von innen. Der Kampf um Einfluß, einer sich in den hinteren Teil der Bühne verdrängt fühlenden Ministerialbüro-kratie wird sicher mit allen Mitteln geführt werden. Einen Vorgeschmack bot das phrasenreiche Lamento um das „Heer im Heer“.

Man versteht offenbar nicht die

notwendigen Prioritäten, die die Reform verlangt: der Hebel hat zwei Arme, und ist dort anzusetzen, wo Gefahr droht, und dies besteht doch in erster Linie beim Instrument der Krisenbeherrschung — und damit bei rasch einsatzbereiten Verbänden. Nun, die Bereitschaftstruppe als eine „Neutralitätsfeuerwehr“ ist dieses Instrument.

Bei ihrer Schaffung muß man natürlich auf den noch existierenden harten Kern des Heeres zurückgreifen. Die Landwehr, ihrem Konzept nach ohnedies den bisherigen Vorstellungen entgegenlaufend, wird erst durch diese Prioritätenfolge auf Platz zwei gedrängt. Ihr Einsatz ist weniger wahrscheinlich als der von Verbänden, die nicht erst mobil gemacht werden müssen.

Minister Lütgendorf wäre gut be-

raten gewesen, offen einzugestehen, daß eine Reform ohne Schwächung der Einsatzbereitschaft unvorstellbar ist. So liefert die mangelnde Präsenz des Heeres heute den Traditionalisten unter den Generälen immer wieder Wasser auf ihre Klagemühlen. Und dies beweisen auch die jüngsten Forderungen aus der Dominikanerbastei, doch das Auslaufen des bisherigen Modus der Dienstzeit in der Reserve zu sistieren. Sicher ist es schmerzlich anzusehen, wie der Wehrwille sinkt. Ihn mit Zwangsmaßnahmen aufrecht halten zu wollen, würde wohl einen unverzeihlichen Rückschritt bedeuten. Wer ein Heer in einer demokratischen Ordnung aufbauen will, muß sich eines anderen Instrumentariums bedienen.

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