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Die totgesagte Armee lebt

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In der Öffentlichkeit steht man noch unter dem Eindruck jenes dumpfen Gefühls der totalen Resignation, der das Bundesheer im Zeichen der permanenten Reform verfallen war. Von offizieller Seite besteht zudem wenig Neigung, gegen diesen Eindruck anzukämpfen. Minister Lütgendorf verweigerte der Volksvertretung wie auch dem Steuerzahler den so oft urgierten Bericht über den Zustand des Bundesheeres. Der Grund dafür kann kaum noch in der Situation des Heeres liegen; denn die Armee ist inzwischen besser als ihr Ruf geworden. Scheut der Minister etwa die Öffentlichkeit, weil sein Anteil am Reformwerk unstandesgemäß klein auszufallen droht?

So fällt die Öffentlichkeitsarbeit jenem Mann zu, der vermehrt zum Synonym der Reform wird — dem Armeekommandanten. Als Indiz für die Sonderstellung, die General Spannocchi genießt, darf sein gespanntes Verhältnis zu jenen Gruppen gewertet werden, die ihm bislang näherstanden: das höhere Offizierskorps und die Volkspartei. Dafür scheint der General der erste Offizier zu sein, der das Vertrauen des Heeres und der Sozialisten genießt. Selbst an der Ernennung des der SPÖ nahestehenden Generalstabsobersten Kuntner zu seinem Stellvertreter kann Spannocchi dieses Vertrauen ablesen. Kuntner war in seiner bisherigen Laufbahn bereits in zwei Stationen Stellvertreter des Generals und ist sicher nicht dessen politischer Kontrollor, sondern sein Vertrauter.

Um das Vertrauen zu manifestieren, das der Bauernbündler Spannocchi beim Chef einer sozialistischen Regierung genießt, hätte es sicher nicht des diesjährigen Nationalfeiertages bedurft. Nicht der Fachminister referierte über das künftige Wehrkonzept, sondern der Armeekommandant. Die Frage bleibt, ob Kreisky inzwischen seine Wahl bedauert. Der Kanzler scheint indes auf seine Art der Realität zu entsprechen. Auch der Armeekommandant bestreitet nicht, daß er sich des Vertrauens des Regierungschefs sicher ist. Der direkte Draht aus dem Kommandogebäude in Breitensee, das den Namen des ersten prominenten Offiziers trägt, der den Sozialdemokraten nahestand, General Körners nämlich, zum Ballhausplatz, ist gelegt.

Der Grad der Wertschätzung, die der General und seine Armee genießen, darf indes nicht an Feiertags-reden ' gemessen werden. Die Haushaltsdebatte wird den Kern des Wehrverständnisses der Regierungspartei freilegen. Der Budgetansatz läßt vorsichtigen Optimismus aufkeimen. In absoluten Zahlen fällt das Ergebnis viel besser aus als in Prozentwerten. Gegenüber dem Vorjahr steigen die Heeresausgaben von 5,4 auf 6,2 Milliarden Schilling. Dies entspricht einem Anteil am Gesamtbudget von 3,7 Prozent. 1973 waren es 3,6 Prozent.

Während die Spitzen des Militärs in den westlichen Nachbarländern bereits die ersten Schlüsse aus dem jüngsten Waffengang im Nahen Osten publik gemacht haben, will Spannocchi vorerst .rar genereil Bestätigungen ableiten. So etwa für den von ihm geprägten Slogan, der Kleinstaat müsse den stetig expandierenden Anteil der Technik in den Rüstungspotentialen unterlaufen.

Vorerst kämpft er allerdings noch mit der Industrie um die Einhaltung der Lieferfristen für Uniformen und Kraftfahrzeuge. Auch der Kasernenputz ärarischer Bauten aus der Jahrhundertwende geht dem General zu langsam.

Wenngleich der Chefdenker einer zeitgemäßen Wehrkonzeption nicht unbestritten läßt, daß die Glaubwürdigkeit dieses Instrumentes auch von anderen Dingen als von neuen Uniformen abhängt, hat er die Prioritätenfolge so gewählt. Natürlich bereitete ihm der fehlende Luftschirm Sorgen. Weniger deshalb, weil die äußere Position Österreichs als Neutraler dadurch gefährdet wäre, vielmehr der inneren Glaubwürdigkeit halber. Doch ohne die Investition einer Großradarstation südlich des Alpenkammes kann an den Aufbau einer echten Luftraumüberwachung nicht gedacht werden. Der Ankauf von Abfangjägern muß daher erst als zweiter Schritt ins Auge gefaßt werden. Um aber den Anschluß an den technischen Fortschritt nicht zu verlieren, läßt man die ausländischen Bewerber vorerst einmal die Produkte anbieten. Wenngleich bisher die schwedischen Luftfahrtprodukte aus bekannten Motiven den Zuschlag erhielten, kommen nun vermehrt Zweifel auf, ob dieser Weg weiter zu beschreiten ist. Der SAAB-Draken, vielfach angepriesenes Produkt des nördlichen Neutralen, liegt in der technischen Entwicklung bereits um eine Generation zurück. Die Erfahrungen mit Armeen, die nicht über die nötigen Infrastrukturen verfügen, haben vor allem die amerikanische Luftfahrtindustrie technisch weniger aufwendige Modelle konzipieren lassen.

Wie immer auch die Entscheidung ausfallen wird, die Aktivierung der österreichischen Luftraumüberwachung ist mit immensen Kosten verbunden. An ihrer Installierung hängt aber nicht nur die Glaubwürdigkeit unserer Neutralität, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Regierung.

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